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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Haaren. Als sie die Sänfte auf die Schultern hoben, trat Nacoya zwischen sie und küßte Mara sanft auf die Stirn. »Ihr seht wunderhübsch aus, Mylady – so hübsch wie Eure Mutter an dem Morgen, als sie Lord Sezu heiratete. Ich weiß, es hätte sie stolz gemacht, Euch so sehen zu können, würde sie heute noch leben. Mögt Ihr die gleiche Freude in der Ehe finden wie sie und mit vielen Kindern gesegnet sein, die den Namen der Acoma weitertragen.«
    Mara nickte geistesabwesend. Als eine Dienerin vortrat, um die Träger hinauszuführen, hielt der Sänger mitten in seinem Lied inne und wurde unangenehm still. Mit einem Stirnrunzeln tadelte das Mädchen sich für ihre Nachlässigkeit. Sie hatte den Musiker unhöflich behandelt, indem sie den Raum verließ, ohne ihn vorher zu loben. Während die Träger die Sänfte hinaus auf den leeren Gang trugen, beauftragte Mara schnell ihre alte Amme, dem Mann mit einem kleinen Geschenk seinen Stolz zurückzugeben. Dann verschränkte sie die Finger fest ineinander, um das Zittern zu verbergen, und zwang sich, ab sofort wachsamer zu sein. Ein großes Haus konnte nicht erblühen, wenn sich die Herrin nur mit den gewichtigen Angelegenheiten beschäftigte. In den Fähigkeiten im Umgang mit den belanglosen Alltäglichkeiten des Lebens drückte sich meist jene Haltung aus, der es vergönnt war, den Weg zu wahrer Größe zu finden. So hatte Lord Sezu zumindest immer gemahnt, wenn Lano die Handwerker zugunsten zusätzlicher Übungen mit den Kriegern vernachlässigt hatte.
    Mara fühlte sich auf merkwürdige Weise ganz weit weg. Die entfernte Geräuschkulisse von den Vorbereitungen für das Fest und der Ankunft der Gäste verlieh den Korridoren, die völlig menschenleer waren, etwas Gespenstisches. Wo immer sie hinschaute, sie sah niemanden, und dennoch erfüllte die Gegenwart der Leute die Luft. Ohne irgend jemanden gesehen zu haben, erreichte sie den Hauptkorridor, verließ das Haus und kam schließlich in den kleinen Garten. Hier sollte Mara eine Stunde in meditativem Schweigen verharren und sich auf den Abschied aus dem Mädchendasein und die neue Rolle als Frau und Gattin vorbereiten. Wächter in schmuckvoller zeremonieller Rüstung standen rings um den Garten Wache, um sie zu schützen und zu garantieren, daß sie nicht gestört werden würde. Im Gegensatz zu den Trägern hatten sie keine Augenbinden, sondern standen mit den Gesichtern zur Wand. Sie spitzten ihre Ohren bis aufs äußerste und waren extrem wachsam, ohne der Versuchung zu erliegen, durch einen Blick auf die Braut Unglück heraufzubeschwören.
    Mara wandte ihre Gedanken von der bevorstehenden Zeremonie ab und versuchte statt dessen, einen Moment der Ruhe zu finden, einen Hauch jener Gelassenheit zu spüren, die sie im Tempel kennengelernt hatte. Anmutig ließ sie sich auf dem Kissen nieder, das auf dem Boden lag, und rückte ihre Gewänder zurecht. Das blasse Gold des frühen Morgens umschmeichelte sie, als sie dem Wasserspiel des Springbrunnens zuschaute. Tropfen formten sich und fielen hinab, jeder einzigartig in seiner Schönheit, bis er mit einem Platschen ins Wasser tauchte. Ich bin wie diese Tropfen, dachte das Mädchen. Die Anstrengungen im Laufe ihres gesamten Lebens würden sich am Ende mit der ewigwährenden Ehre der Acoma verbinden; und ob ihr als Ehefrau Buntokapis nun Glück oder Unglück widerfahren würde, spielte am Ende ihres Lebens keine Rolle – solange der geheiligte Natami im Hain blieb und den Acoma der rechtmäßige Platz unter der Sonne gewährt wurde – der nicht vom Schatten eines anderen Hauses bedroht war.
    Sie neigte ihren Kopf und betete in der frischen Morgenstille in aller Aufrichtigkeit zu Lashima, weder wegen der verlorenen Tage ihrer Mädchenzeit noch wegen des Friedens, den sie einst durch den Tempeldienst zu erreichen gehofft hatte. Sie bat vielmehr um die Kraft, den Feind ihres Vaters als Ehemann annehmen zu können, damit der Name der Acoma sich im Spiel des Rates wieder laut erheben könnte.

Sieben

    Hochzeit

    Nacoya verneigte sich tief.
    »Mylady, es ist Zeit.«
    Mara öffnete die Augen; ihr war viel zu warm für diese Tageszeit. Die Kühle des frühen Morgens war noch nicht gewichen, und doch engte das Kostüm sie bereits ein. Sie sah Nacoya an, die neben der blumengeschmückten Sänfte stand. Nur noch einen kleinen Augenblick, dachte Mara bittend. Doch sie wagte es nicht, länger zu bleiben. Diese Hochzeit würde ohnehin schwierig genug werden, und sie wollte nicht ein

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