Die Auserwählte: Roman (German Edition)
Namen, dachte ich. Zwischen euch ist nichts. Nichts Echtes.
Ich nickte, senkte den Blick und spielte mit meiner Gabel.
»Jeremiah ist mir eine große Hilfe«, sagte Prophet. »Wenn Gott zu mir spricht, zeigt Er Jeremiah Bilder von zukünftigen Ereignissen. Ich bin sicher, er hat dir von den Offenbarungen erzählt, in denen er dich seit vielen Jahren sieht. Ich habe ihn losgeschickt, damit er dich findet.«
Meine Hand zuckte, und meine Gabel kratzte über den Teller. Ich betrachtete Jeremys Gesicht forschend. Seine normalerweise wütenden Augen wirkten jetzt so ruhig, dass sie aussahen, als würden sie einem anderen Menschen gehören. Entsprach das der Wahrheit? Hatte er nur nach mir gesucht, weil Prophet es ihm aufgetragen hatte? Hatte Prophet ihm befohlen, mich zu töten?
Nein. Prophet brauchte mich, um den Plan in die Tat umsetzen zu können. Er hätte niemals meine Ermordung angeordnet.
Ich räusperte mich und warf einen Blick auf die anderen Apostel. »Dann besitzt ihr also alle dieselbe Gabe wie … wie Jeremy?«
»Und wie du, Mia«, bestätigte Prophet. »Und es handelt sich um eine sehr starke Gabe: die Fähigkeit, Gottes Licht in sich zu bewahren. Es freizusetzen, wenn man es braucht. Natürlich hast du noch nicht gelernt, deine Gabe zu kontrollieren. Deshalb ist es so wichtig, dass du zu mir gekommen bist. Jedes meiner Kinder hat eine Gabe in Form von Gottes Licht erhalten, aber du bist etwas Besonderes.«
Wenn der Ausdruck in Iris’ Augen zuvor kalt gewesen war, dann war er jetzt geradezu sibirisch.
Ich mied ihren Blick und lächelte, doch das Lächeln fühlte sich gezwungen an. Eine Gabe? War es wirklich das, was ich besaß? Bislang hatte ich mit Blitzen nichts anderes getan, als andere Menschen zu verletzen. Nun ja, das stimmte nicht ganz. Ich hatte Janna verletzt, aber ich hatte ihr auch geholfen.
»Vater«, sagte Jeremy, »erzähl doch Mia und ihrer Mutter, wie Gott dich beschenkt hat.«
Ich warf einen Blick auf Mom und sah den Ausdruck der Bewunderung auf ihrem Gesicht, als sie auf Prophets Reaktion wartete.
Prophet legte seine Hand über die von Mom und beugte sich zu ihr, bis sie sich mit der Stirn berührten. Dann hob er seine andere Hand und legte sie auf ihre Wange, als er sie sanft küsste.
»Diese gute Frau weiß bereits alles, was sie über mich wissen muss«, entgegnete er, nachdem er seine Lippen von ihren Lippen gelöst hatte. »Aber gut.« Prophet nahm Moms Hand und wandte sich wieder mir zu. »Gott hielt es für angebracht, mich dreifach zu beschenken, Mia. Beim ersten Mal, als ich vom Blitz getroffen wurde, nahm Er mir mein Augenlicht, schenkte mir jedoch die Fähigkeit, Sein heiliges Wort zu hören. Beim zweiten Mal, als ich vom Blitz getroffen wurde, verlieh Er mir die Kraft, Sein Wort unter den Verlorenen und den Unredlichen zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass es geglaubt wird. Als ich zum dritten Mal vom Blitz getroffen wurde, beschenkte Er mich abermals, und zwar mit der Fähigkeit, mein Licht mit dem meiner Apostel zu vereinigen – um uns zu verbinden, damit es nichts gibt, das wir nicht erreichen können. Damit wir unsere einzigartigen Kräfte vereinen und Gottes Unwetter erzeugen können. Und ich habe diese Gabe an dich weitergegeben, Mia. Ich habe dich erweckt und dich für uns geöffnet. Du kannst deine Energie jetzt mit uns allen teilen.«
Prophet drückte Moms Hand, woraufhin sie Luft holte und zufrieden seufzte. »Und jetzt hat mir Gott mit dir ein viertes Geschenk gemacht, Sarah Price.«
Ich warf Jeremy – oder Jeremiah oder wie auch immer er sich nennen wollte – einen Blick zu. Ich fragte mich, welche Reaktion auf Prophets Worte er von mir erwartete. Und ich fragte mich, ob er die stille Wut der alten Mia tief unter der Oberfläche spürte.
Nach dem Frühstück entschuldigte ich mich und kehrte auf mein Zimmer zurück. Ich ging auf den Balkon hinaus, um nachzudenken, obwohl es mir Unbehagen bereitete. Es gab so viele Dinge, an die ich besser nicht denken sollte, und jedes Mal, wenn einer dieser verbotenen Gedanken versuchte, sich den Weg in meinen Kopf zu bahnen, hatte ich das Gefühl, Prophet zu hintergehen. Doch sie drängten sich hartnäckig auf: Gedanken an Mom und Prophet und wie er sie geküsst hatte. An Parker als meinen Feind. An Jeremy und wie nackt er mit hinter die Ohren gekämmtem Haar und ohne Brille ausgesehen hatte, ohne seine Verkleidung. Ich wollte den alten Jeremy zurückhaben. Doch das war schlecht! Jeremiah, der Junge in Weiß
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