Die Auserwählte: Roman (German Edition)
vorerst würde ich es dabei belassen, bis ich herausfand, was Jeremy vorhatte.
»Also«, fuhr Prophet fort, »lasst uns diese üppige Mahlzeit genießen. Wir brauchen unsere Kräfte für das, was kommt. Heute Abend führen wir Gottes Plan zu Ende.« Er legte beide Handflächen auf den Tisch. »Heute Abend bringen wir den stürmischen Zorn Gottes über diese Stadt.«
Bei seinen Worten flammte das Feuer in meinem Herzen auf.
Das Feuer Gottes ist in mir, dachte ich. Das Licht Gottes.
Und endlich verstand ich.
Das Unwetter, auf das ich gewartet hatte … befand sich nicht hinter dem Horizont.
Das Unwetter befand sich in mir.
35
D as Frühstück war ein Festmahl mit Rühreiern und Kartoffeln, in Butter getränktem Toast, Melonenscheiben, frischgepresstem Orangensaft, dicker, kalter Milch und winzigen belgischen Waffeln mit Ahornsirup und Schlagsahne.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen dabei, in den Genuss eines derart dekadenten Frühstücks zu kommen, während vor Prophets Tür Menschen verhungerten. Trotzdem aß ich, als handelte es sich um meine Henkersmahlzeit. Ich konnte einfach nicht anders. Die Beklommenheit, die mir den Magen verknotet hatte, war endlich verebbt. Ich fühlte mich, als hätte ich seit einem Monat nichts mehr gegessen.
Die Apostel gingen einer nach dem anderen um den Tisch und stellten sich vor. Ich hatte mir Namen noch nie gut merken können und vergaß die meisten sofort wieder, nachdem ich sie genannt bekommen hatte. Die Zwillinge, Iris und Ivan, waren die einzigen Apostel, deren Namen ich mir einprägen konnte.
»Ich habe euch neulich auf dem Rove gesehen«, sagte ich, »als es zu der Schlägerei kam. Wie kommt es, dass keiner von euch blaue Flecken oder Schnittwunden hat? Haben Sie sie geheilt, so wie Sie den Dealer geheilt haben?«
»Den Dealer?«, fragte Prophet.
In meine Wangen stieg Hitze auf, und ich senkte den Blick auf meinen Teller, da ich mich schämte, eine solche Person zu kennen. »Der Typ, den Sie gestern Abend geheilt haben – der mit den Verbrennungen.«
»War es das, was ihn geplagt hat?«, fragte Prophet mit verhaltener Neugier. »Das habe ich nicht bemerkt. Aber, nein, ich habe meine Apostel nicht geheilt. Das ist nicht nötig.«
Iris grinste mich höhnisch an. »Wann hattest du zum letzten Mal einen einfachen blauen Fleck oder Schnitt, der länger als einen Tag gebraucht hat, um zu verheilen?«
Ich erinnerte mich, was Mr Kale gesagt hatte: dass die Fähigkeit, im Handumdrehen zu genesen, einer der Vorteile daran sei, den Funken – oder besser gesagt, das Licht – zu besitzen. Seinerzeit hatte ich diese Behauptung abgetan, aber als ich jetzt darüber nachdachte, konnte ich mich nicht erinnern, jemals verletzt gewesen zu sein, es sei denn, ich war vom Blitz getroffen worden. Doch sogar dann verheilten die schweren Verbrennungen, die ich mir manchmal zuzog, binnen weniger Tage vollständig, und die einzigen Narben, die mir blieben, waren Blitzschlag-Narben. Sogar mein Haar schien schneller als normal nachzuwachsen.
»Das ist ein Teil der Gabe, die Er uns verliehen hat«, erklärte Ivan, und ich gab mich mit dieser einfachen Erklärung zufrieden.
Mit Ausnahme von Iris waren die Apostel einigermaßen freundlich zu mir. Allerdings hieß mich keiner von ihnen mit offenen Armen willkommen, und ich erkannte, dass sie mir gegenüber misstrauisch waren. Sie wirkten defensiv, als glaubten sie, ich würde sie womöglich bestehlen. Und eine gewisse Eifersucht war ihnen ebenfalls anzumerken, was ich ihnen nicht verübelte. Schließlich war ich die fehlende Zutat. Ich war diejenige, die Prophet brauchte, um Gottes Unwetter zu erzeugen und dessen Plan in die Tat umzusetzen, wenngleich ich mir immer noch nicht ganz darüber im Klaren war, wie dieser Plan aussah.
Während mir die Apostel vorgestellt wurden, spürte ich Jeremys verstohlene Blicke. Ich hatte den Eindruck, als würde ich noch immer die Hitze spüren, die er auf der anderen Seite des Tischs ausstrahlte, und das Verlangen, in seiner Nähe zu sein und ihn zu berühren. Diese Gefühle waren verkehrt. Die alte Mia konnte ihm gegenüber empfinden, wie sie wollte, doch die neue Mia musste ihre niederen Instinkte und ihr wallendes Blut unter Kontrolle halten.
»Und Jeremiah kennst du ja bereits«, sagte Prophet und strahlte seinen Adoptivsohn an.
Ich konnte es nicht mehr länger vermeiden, Jeremy anzusehen. Als ich ihm in die Augen blickte, spürte ich Übelkeit in mir aufsteigen.
Du kanntest nicht einmal seinen
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