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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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rechnete mit einem Geräusch wie dem von Rumba-Rasseln, aber es war nichts zu hören.
    Die Fläschchen waren leer.
    Ich nahm Parker ein Fläschchen aus der Hand und hielt es vor mir hoch. »Wo sind die Tabletten?«
    »Vielleicht hat Mom zu viele genommen.«
    Ich schüttelte den Kopf, dann hielt ich inne. Normalerweise beobachtete ich Mom, wenn sie ihre Medikamente nahm, um sicherzugehen, dass sie die richtige Dosis bekam. Aber ich hatte die Tabletten in ihrem Arzneischrank gelassen, und sie verbrachte viel Zeit allein in ihrem Schlafzimmer. Sie hätte jederzeit mehr Tabletten nehmen können.
    Ich erinnerte mich, wie sie mich am Morgen angefahren hatte, als ich sie gefragt hatte, ob sie sich sicher sei, dass sie ihre Medikamente eingenommen habe. Ich wäre gerne in ihr Schlafzimmer marschiert und hätte sie zur Rede gestellt, aber das war nicht der richtige Zeitpunkt – so wie sie Parker und mich angefaucht hatte, dass wir sie allein lassen sollen.
    Eine akute Belastungsreaktion dauerte im Normalfall nicht länger als vier Wochen, ging allerdings häufig in eine posttraumatische Belastungsstörung über, die fast genauso schlimm war. Parker und ich konnten uns nicht um sie kümmern, wenn sie nicht mit Medikamenten vollgepumpt war.
    »Ich gehe zum Dealer«, sagte ich und lief die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, um meine rasch schwindenden Geldvorräte zu plündern.
    Parker folgte mir auf den Fersen. »Du hast versprochen, dass du nicht mehr zu ihm gehst, nach allem, was beim letzten Mal passiert ist.«
    »Das war doch nicht so schlimm. Jeden Tag werden Leute ausgeraubt.« Ich schnappte mir das Bündel Geldscheine, das ich in der Monopoly-Schachtel in meinem Schrank versteckt hatte, und zählte es. Zweihundertsiebzehn Dollar. Genug für eine weitere Wochenration Alprazolam und Chlorpromazin. Auf Moms Schlaftabletten würde ich allerdings verzichten müssen.
    »Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit, wie man ihr helfen kann«, sagte Parker. »So was wie dieses Treffen der Erdbeben-Überlebenden an der Schule. Womöglich braucht sie die Medikamente gar nicht mehr. Es scheint ihr ein bisschen besser zu gehen … irgendwie.«
    »Sie hatte schon wieder einen Schub«, erinnerte ich ihn. »Bei der Dosis – Über dosis – Chlorpromazin, die sie nimmt, sollte das eigentlich nicht mehr vorkommen.«
    »Dann lass mich gehen!«
    »Nein. Der Dealer würde dir nichts verkaufen. Er kennt dich nicht.« Der Dealer akzeptierte nur Kunden, die ihm empfohlen worden waren, und ich hatte das Glück gehabt, durch eine Nachbarin von uns an ihn heranzukommen, die ihr Insulin jetzt auf dem Schwarzmarkt für das Zehnfache dessen kaufte, was sie früher dafür bezahlt hatte. Doch für sie hieß es, entweder das Geld lockermachen oder einen diabetischen Schock erleiden.
    Ich verstaute das Geld tief in meiner Hosentasche. »Ich bin schon vorsichtig«, versprach ich, doch dort, wohin ich ging, spielte es keine Rolle, wie vorsichtig man war.
    Auf dem Weg zur Tür schnappte ich mir die Pfefferspraydose und schob sie in meine andere Hosentasche.
    9
    A uf der ganzen Welt gab es keinen Ort wie den Ocean Front Walk am Venice Beach. Hätte man einen Zirkus, eine Hippie-Kommune, eine Irrenanstalt, ein Obdachlosenheim, einen Zigeunerwagen und ein Innenstadtghetto genommen, gründlich gemischt und dann an einem Strand abgesetzt, an dem noch immer Leute sonnenbadeten und surften, obwohl er abwasserverseucht war, wäre der Ocean Front Walk dabei herausgekommen.
    Das war natürlich vor dem Beben gewesen.
    Den Ocean Front Walk entlangzuschlendern war inzwischen keine unterhaltsame Art und Weise mehr, um einen sonnigen Nachmittag zu erleben. Heutzutage war es ein geeigneter Ort, wenn man sich ausrauben, verprügeln oder vielleicht sogar erschießen lassen wollte.
    Folgendes passiert, wenn etliche Quadratkilometer der ärmsten Gegenden von Los Angeles mit der höchsten Kriminalitätsrate zerstört werden und die Stadt den ehemaligen Bewohnern dieser Gebiete keine andere Alternative bietet, als nach Westen umzusiedeln, weg von den Ruinen ihrer Behausungen; wenn sie ihnen kein Obdach bietet, nichts zu essen, kein Trinkwasser und keine Duschen außer denen, die ursprünglich dazu dienten, dass man sich den Sand oder das Salzwasser abspülen konnte, nachdem man im Meer geschwommen war oder einen Tag in der Sonne gelegen hatte.
    Folgendes passiert …
    Ich gab mir alle Mühe, keinen Verdacht zu erregen, als ich mich durch die Menschenmenge auf der

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