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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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Gänsehaut. Er klang wie ein Wahnsinniger. Labil. Er hatte Zugriff auf sämtliche Psychopharmaka; vermutlich hätte er welche davon ausprobieren sollen, anstatt dieses Zeug einzuwerfen, das seine Pupillen auf die Größe von M&Ms anwachsen ließ.
    »Schick sie rein«, hörte ich den Dealer in einem trällernden Singsang sagen.
    Sein Wachposten hielt mir die Zeltklappe auf.
    Ich blinzelte, während sich meine Augen an das düstere Innere des Zelts gewöhnten. Die violette Farbe, mit dem das Zelttuch gestrichen worden war, sperrte nicht nur das Licht aus, sondern auch fast die ganze Luft. Im Zelt war es so heiß und stickig, dass mir schwindelig und übel wurde. Die Farbdämpfe waren noch deutlich zu riechen. Die Kombination aus dem chemischen Geruch und dem Aroma der Jasminkerzen des Dealers sorgte dafür, dass sich mein Kopf anfühlte, als wäre er voller Bienen und Wolken.
    »Ich habe den Eindruck, hier wird gegen einige Brandschutzgesetze verstoßen«, sagte ich.
    Der Dealer lümmelte im hinteren Bereich des Zelts auf einem kunterbunten Berg Kissen und sah aus wie ein Ghetto-Maharadscha. Der Großteil der Kerzen stand hinter ihm, sodass sich sein Gesicht im Schatten befand. Seine Hand ruhte auf einem riesigen Rottweiler, der bei jedem Atemzug ein polterndes Knurren ausstieß.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell wiedersehen würde, Mia Price. Mia, Mia, Mia Price«, sang er, dann lachte er gackernd. »Es ist mir allerdings immer ein Vergnügen, dich zu sehen, meine Liebe. Du gehörst zu meinen Lieblingskunden.«
    »Ich fühle mich geehrt.« Ich wusste nicht, wie ich zu einem Lieblingskunden geworden war, aber wenn mir das half zu bekommen, was ich wollte, akzeptierte ich diesen Status gerne.
    »Komm her.« Der Dealer klopfte mit der Handfläche auf die Kissen. »Setz dich doch. Sag mir, was ich für dich tun kann.«
    »Eigentlich habe ich es ziemlich …«
    » Setz dich.«
    Der Rottweiler knurrte und leckte sich mit seiner rosafarbenen Zunge, die breit wie eine Schuhsohle war, über die Lefzen.
    Ich nahm Platz und hielt dabei so viel Abstand zu dem Dealer und dem Rottweiler wie möglich, ohne unhöflich zu wirken. Oder ängstlich. Angst zu zeigen war in diesem Zelt ebenso gefährlich wie auf der Strandpromenade. Der Dealer labte sich daran.
    »Näher«, sagte der Dealer. »Ich beiße nicht. Für Rosemary kann ich allerdings nicht sprechen.« Er tätschelte den dicken Schädel des Rottweilers.
    Ich erklärte ihm, was ich brauchte.
    Er pfiff beeindruckt.
    »Das hast du aber schnell konsumiert, Mädchen.«
    »Es ist nicht für mich.«
    »Hm.«
    Ich schüttelte den Kopf. Es spielte keine Rolle, für wen die Medikamente nach Ansicht des Dealers bestimmt waren. Das Einzige, was zählte, war, dass er sie mir verkaufte. Ich holte mein Geld hervor und zählte zweihundert Dollar ab. Hundert Dollar pro Fläschchen.
    Ich reichte ihm das Geld. Rosemary beobachtete meine Hand, als wäre sie ein Steak, aus dem Blut tropfte.
    Der Dealer zählte das Geld, dann schüttelte er traurig den Kopf. »Das reicht nicht.«
    Ich sah ihn blinzelnd an. »Aber so viel zahle ich immer.«
    Er seufzte, als bräche es ihm das Herz, mich aufklären zu müssen. »Die Vorräte sind knapp. Ich musste die Preise anheben.«
    Meine Brust schnürte sich zusammen. »Ich kann ein bisschen mehr zahlen.« Ich hielt ihm die siebzehn Dollar hin, doch er schüttelte abermals den Kopf.
    »Weißt du, wie viele verzweifelte Menschen es in dieser Stadt gibt? Leute, die brauchen, was nur ich liefern kann, und die alles tun, um es zu bekommen? Tut mir leid, aber die Preise haben sich verdoppelt. Zweihundert pro Fläschchen.«
    Die Wände des Zelts schienen auf mich einzustürzen. »Ich … ich kann nicht so viel zahlen. Sie haben doch gesagt, ich würde zu Ihren Lieblingskunden gehören. Können Sie mir nicht dieses Mal einen guten Preis machen?«
    »So spricht eine echte Süchtige«, sagte er, und seine Augen lachten grausam. Er genoss die Situation.
    »Ich bin keine …«
    »Weißt du, was ich Süchtigen wie dir sage, wenn sie zu mir kommen und ihre Taschen umdrehen und es reicht immer noch nicht? Wenn sie mich fragen: ›Gibt es denn nichts, was ich tun kann?‹ Dann sage ich ihnen … doch. Doch, das gibt es.«
    Der Dealer senkte den Blick und ließ ihn von meinem Gesicht über meinen Körper wandern. Ich bewegte die Hand Zentimeter für Zentimeter zu dem Pfefferspray in meiner Hosentasche, erstarrte jedoch, als Rosemary eine wütende Warnung

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