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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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Sand ins Gesicht warfen.
    Ich hielt den Kopf gesenkt und blieb nahe bei Jeremy. Als wir fast beim Weißen Zelt angelangt waren, packte mich eine Hand am Arm und zerrte mich von der Prozession weg. Plötzlich stand ich einem Mann mit wildem Blick gegenüber, der nach säuerlichem Schweiß und Lagerfeuerrauch stank. Seine Haut war so schmutzig, dass sie grau wirkte, und mit groben Sandkörnern besprenkelt.
    Ich versuchte, mich von ihm loszureißen, doch er hielt mich an den Armen fest. Seine Fingernägel hätten dringend geschnitten werden müssen. Ich spürte, wie sie sich durch meine Ärmel bohrten.
    »Richten Sie Ihrem falschen Propheten was von mir aus«, sagte mir der Mann ins Gesicht. »Sagen Sie ihm, dass Jesus sich mit den Huren und den Dieben und den Sündern angefreundet hat. Sagen Sie ihm, dass sein Gott aus dem Alten Testament tot ist. Gott bestraft nicht die Frevler und rettet die Rechtschaffenen. Gott ist Liebe!«
    »Lassen Sie sie los«, sagte Jeremy ruhig und trat neben mich.
    Einen Moment lang packte der Mann noch fester zu. »Gott ist Liebe«, flüsterte er. »Sagen Sie dem falschen Propheten, Gott ist Liebe.« Dann wich alle Kraft aus ihm, und er ließ mich los. Seine Finger hinterließen Schmutzflecken auf meinen weißen Ärmeln.
    »Falscher Prophet«, murmelte der Mann vor sich hin, als er von dannen zog. »Falscher Gott.«
    Jeremy bugsierte mich zurück in den Menschenstrom. »Alles in Ordnung?«
    »Ja«, erwiderte ich mit zittriger Stimme.
    Wir kamen am Eingang zu Prophets Weißem Zelt an. Auf beiden Seiten standen jeweils zwei Jünger, die mit jedem sprachen, bevor sie ihm Zutritt gewährten.
    »Hast du das Wort von Rance Ridley Prophet als das Wort Gottes anerkannt?«, fragte mich einer von ihnen, ein Mann mit kahl geschorenem Kopf und Neandertalerstirn.
    Ich warf Jeremy einen nervösen Blick zu. »J-ja«, stammelte ich und stolperte über das Wort.
    »Ja«, sagte Jeremy mit mehr Selbstvertrauen. »Das haben wir beide.«
    Der Neandertaler lächelte, hielt die Zeltklappe zur Seite und ließ uns eintreten. »Willkommen, Bruder. Schwester.«
    Als wir das Zelt betraten, rutschte mir das Herz in die Hose. Es waren etwa fünfhundert Menschen anwesend, und mit jeder Sekunde kamen noch mehr.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und ließ den Blick über die Menge wandern. Überall im Zelt waren Fernsehteams. Einige richteten ihre Kameras auf die Bühne, andere interviewten Besucher der Versammlung. Das Zelt summte vor Energie wie ein Bienenstock, und die feuchte, von unzähligen Körpern erzeugte Hitze sorgte dafür, dass mir meine weiße Kleidung wie Plastikfolie an der Haut klebte.
    In der Mitte des Zelts war eine hohe Bühne errichtet worden, die wie ein Boxring ohne Seile aussah. Auf der Bühne waren mehrere Mikrofonständer aufgereiht. Prophet war momentan nirgends zu sehen, doch die männliche Hälfte der Zwillinge stand auf der Bühne und führte die Menge bei einer schallenden Hymne an, die eher nach einem Kriegsmarsch klang als nach einer Ode an Gott. Von irgendwoher ertönte Klaviermusik, doch ich konnte weder das Klavier noch den Pianisten sehen.
    Ich suchte das Gesicht des Zwillingsbruders nach Blutergüssen ab, da ich glaubte, er müsse bei der Schlägerei auf dem Rove zumindest ein blaues Auge oder eine aufgeplatzte Lippe davongetragen haben. Fehlanzeige. Seine Haut war wie durch ein Wunder makellos wie die von Mr Kale, nachdem ich ihm die Handflächen versengt hatte.
    »Lass uns eine Runde am Rand des Zelts drehen«, schlug Jeremy vor. »Wenn wir sie nicht finden, gehen wir näher an die Bühne heran.«
    Wir mussten uns jeden Schritt erkämpfen. Unsere Schuhe sanken im Sand ein, das Zelt wurde mit jeder Sekunde voller, und alle drängten in Richtung Bühne. Wir brauchten eine gefühlte Stunde und mussten uns mehrere Dutzend Male auf die Zehen treten lassen, um eine Runde am Rand des Zelts zu drehen. Es waren so viele Gesichter da, so viele in Weiß gekleidete Menschen, dass alle zu einer riesigen wolkenartigen Masse zu verschmelzen begannen.
    Anschließend drangen wir tiefer in die Menge vor. Nachdem wir uns der Bühne jedoch auf etwa sechs Meter genähert hatten, stießen wir auf eine feste Wand aus Körpern. Wir kamen nicht mehr weiter, ohne die Jünger auseinanderzudrängen.
    Ich fluchte frustriert, und ein Dutzend Augen richteten sich auf mich und starrten mich wütend an. »Entschuldigung«, murmelte ich.
    »Du hast mir versprochen, keine Aufmerksamkeit zu erregen«, zischte mir

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