Die Auserwählte: Roman (German Edition)
beruhigt, Brüder und Schwestern, Gott weiß, wer auf Seiner Seite steht und wer gegen Ihn ist. Gott ist heute Abend unter uns, und Er kennt jedes eurer Gesichter. Er weiß, dass ihr euch für Seinen Weg entschieden habt und dass ihr euch weise entschieden habt. Habt keine Angst, denn am dunkelsten ist es immer vor der Morgendämmerung. Momentan ist alles sehr finster, in der Welt im Allgemeinen, aber vor allem hier, in der sogenannten Stadt der Engel. Stadt der Engel …« Er schüttelte den Kopf, klang angewidert. »Es mag noch Engel in dieser Stadt geben, aber sie sind in der Unterzahl. Die Teufel haben hier die Macht inne. ›Hell-A‹, habe ich Leute diese Stadt nennen hören, und wie Recht sie haben. Diese Stadt ist die Hölle, wo die Teufel ihr Gift fabrizieren und es dann in der ganzen Welt verteilen – über Satelliten, über das Fernsehen und das Theater, über das Internet. Das Böse beginnt hier, Brüder und Schwestern, aber auch sein Ende wird hier beginnen. Ein Unwetter wird kommen! Ein Unwetter wie kein anderes. Die Erde wird erbeben. Die Sonne wird wie Asche sein und der Mond wie Blut. Die Sterne am Himmel werden auf die Erde fallen, und jeder Berg und jede Insel wird verschoben werden. So spricht der Herr!«
Prophet nahm die Zwillinge an der Hand, hielt ihre Arme in die Luft, sodass ein »M« aus Gliedmaßen entstand, und sie schienen tatsächlich von irgendeinem Licht erleuchtet zu werden. Ich wollte es nicht sehen, aber es umgab sie wie ein Heiligenschein. Aus der Schar der Jünger ertönte ein weiterer ohrenbetäubender Jubelschrei, doch dieses Mal machte ich mir nicht die Mühe, mir die Ohren zuzuhalten. Ich fühlte mich wie betäubt. Bewegungsunfähig.
»Gott hat zu mir gesprochen, Brüder und Schwestern!«, dröhnte Prophet ins Mikrofon, um sich trotz des stürmischen Geschreis und Beifalls Gehör zu verschaffen. Die Menge beruhigte sich wieder, als sie seine Stimme vernahm. Hunderte Menschen forderten Hunderte von Menschen auf, still zu sein, was beinahe genauso laut war wie ihr Jubeln. Prophet senkte seine Arme und die Arme der Zwillinge, ließ ihre Hände aber nicht los. »Gott hat zu mir gesprochen«, wiederholte er, diesmal leiser. »Er hat mir Seinen Plan verraten, und dieser Plan ist großartig und schrecklich zugleich. Aber Er hat mir auch gesagt, dass Er diejenigen beschützen wird, die zu Ihm kommen, um errettet zu werden. Ich sage euch, Gott ist heute Abend hier zugegen. Er ist hier, um denjenigen Seinen Segen und Seinen Schutz anzubieten, die Ihm ihr Herz und ihre Seele hingeben. Werdet ihr euch Ihm hingeben?«
»Ja!«, grölte die Menge.
»Dann sollen die Ersten von euch hier auf die Bühne kommen, um sich hinzugeben und Seinen Segen zu empfangen!«
Arme wogten in der Luft hin und her wie übergroße Grashalme im Sturm. Figuren gingen durch das Feld von Armen. Ich erkannte ein, zwei, drei Gesichter, die ich in der Stunde des Lichts und auf dem Rove gesehen hatte … die Apostel, die zwischen den Jüngern herumgingen und Bittsteller auswählten, die noch nicht in Weiß gekleidet waren, und sie zur Bühne brachten. Die Menge teilte sich, um sie passieren zu lassen.
Die Zwillinge führten einen Mann auf die Plattform. Selbst aus der Ferne sah ich, dass seine Lippen und Augenlider von Pusteln verkrustet waren, die mit dem Erdbebenfieber einhergingen, und seine Haltung war zusammengesunken, als bestünden seine Knochen aus einem weniger festen Material als bei anderen Menschen.
»Bist du bereit, dich hinzugeben und errettet zu werden?«, fragte ihn Prophet.
Der Mann nickte energisch und fiel vor Prophet schluchzend auf die Knie. »Meine Frau ist bei dem Erdbeben ums Leben gekommen«, klagte er. »Sie hat mir alles bedeutet. Ich kann so nicht weiterleben! Ich kann ohne sie nicht leben!«
Prophet legte dem Mann eine Handfläche auf die Stirn, woraufhin dieser zuckte, als würde er reanimiert werden.
»Deine Frau ist in das Königreich des Himmels aufgenommen worden«, sagte Prophet. »Und du wirst eines Tages zu ihr stoßen, aber nicht heute. Gott braucht dich hier, damit du dich auf Sein Schlachtfeld stellst und kämpfst. Du bist errettet, Bruder.«
Prophet nahm die Hand von der Stirn des Mannes, woraufhin sich dieser zitternd und mit weit aufgerissenen, leuchtenden Augen erhob. Die Zwillinge führten ihn von der Bühne, und zwei andere Apostel nahmen ihn in Empfang. Mein Blick verharrte auf dem Gesicht des Mannes. Irgendetwas daran hatte sich verändert.
Der Mann wischte
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