Die Auserwählte: Roman (German Edition)
ich konnte mich einfach nicht beruhigen. Ich musste es aussprechen, um zu hören, wie es klang. Bislang klang es verrückt … aber möglich. Mehr als möglich.
»Es wird im Tower beginnen«, sagte ich. »Vielleicht hat Prophet überall Sprengstoff deponiert oder so. In der ganzen verdammten Stadt! Wer weiß, wozu solche Fanatiker fähig sind! Oder vielleicht …« Ich kaute auf meiner Lippe, da ich nicht zugeben wollte, was ich in Erwägung zog. Dann holte ich tief Luft und atmete wieder aus. »Katrina hat mir gesagt, dass in der Wüste eine Energie herrscht – wie der Funke, nur stärker. Sie wurde durch das Erdbeben freigesetzt.«
»Ich habe sie gespürt«, bestätigte Jeremy. »Beim Tower ist sie am stärksten.«
Ich nickte. »Als wäre dieser Ort eine Art … ich weiß nicht, eine Art Energie-Magnet. Wenn noch einmal ein Unwetter kommt, könnte diese Energie noch mehr Blitze anziehen als beim letzten Mal. Es könnte noch einmal ein Erdbeben geben, ein schlimmeres Erdbeben, und die Rover würde es als Erstes erwischen. Sie sind die Einzigen in der Stadt, die Prophet offen die Stirn geboten haben, und viele von ihnen besitzen den Funken. Prophets Gegner wären auf einen Schlag eliminiert.«
Jeremy schloss die Augen, als wäre es zu schmerzhaft, sie offen zu halten. »Und was möchtest du dagegen tun?«
»Tun?« Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wir können nichts tun . Es ist zu spät.« Ich schüttelte den Kopf und schämte mich, dass ich aufgab, doch ich sah keine andere Möglichkeit. »Ich werde meine Familie aus Los Angeles rausschaffen.«
»Was ist mit den Straßen?«, erkundigte sich Jeremy so leise, dass ich ihn kaum hörte.
Jeremys Worte hallten in meinem Kopf wider.
Ich habe es vermasselt. Ich hätte nicht so lange warten dürfen. Jetzt ist es zu spät.
Ich starrte ihn an. »Ist es das, was du mich fragen wolltest? Ob ich die Stadt verlassen würde … mit dir?«
Jeremy nickte mit gesenktem Blick. »Ich hätte nicht gedacht, dass du einverstanden wärst, aber …«
»Ja, lass uns aus dieser Stadt verschwinden. Gemeinsam. Wir werden schon einen Weg finden.«
Jeremy hob den Kopf und sah mir in die Augen. Da seine Hände abermals zu Fäusten geballt waren und seitlich herabhingen, wusste ich, was er mit ihnen tun wollte. Wusste, dass er mich berühren wollte. Ich erinnerte mich an die Hitze seiner Lippen auf meinen Lippen und wünschte mir, ich könnte ihn gewähren lassen.
Doch für solche Dinge hatten wir keine Zeit mehr.
Wir ließen mein Auto stehen und nahmen Jeremys Motorrad, mit dem wir uns durch den Verkehr schlängelten, als wären wir auf einem Hinderniskurs unterwegs. Ich hielt auf dem größten Teil der Strecke die Augen geschlossen und klammerte mich so fest an Jeremys Rücken, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er ein paar gebrochene Rippen davongetragen hätte.
Obwohl wir es schafften, nicht in dem Verkehrschaos auf den Straßen stecken zu bleiben, war es bereits nach elf Uhr abends, als wir bei mir zu Hause ankamen.
Mein Herz schlug gegen meinen Brustkorb, als wir zur Haustür rannten. Was wäre, wenn Mom und Parker sich weigern würden, mit uns zu kommen? Wie würde ich ihnen die Sache erklären können?
Wie sich herausstellte, hätte ich mir keine Sorgen zu machen brauchen.
Sobald ich einen Fuß ins Haus setzte, wusste ich, dass es leer war. Ich brauchte nicht nachzusehen, ob Moms Auto in der Garage stand. Ich brauchte nicht nach ihr und Parker zu rufen oder auf der Suche nach ihnen von Zimmer zu Zimmer zu laufen. Ich tat trotzdem beides, aber manchmal weiß man bereits, dass man sitzen gelassen wurde, bevor man eine Nachricht findet, die einem verrät, warum.
Parker hatte seine Nachricht in einem an mich adressierten Umschlag auf seiner Kommode hinterlassen. Ich öffnete den Umschlag mit zitternden Fingern und zog ein Stück Schulheftpapier heraus, das auf der Seite, auf der es herausgerissen worden war, einen zackigen Rand hatte.
Mia,
ich weiß, dass du sauer auf mich sein wirst. Ich weiß, dass du nicht verstehen wirst, warum ich das tue. Ich wünschte, du würdest es verstehen. Ich bin den Suchenden beigetreten und habe mich ihrem Verbindungsritual unterzogen, deshalb gibt es jetzt kein Zurück mehr, und das ist in Ordnung für mich. Es war die richtige Entscheidung. Bitte such nicht nach mir, es sei denn, du hast vor, dich unserer Sache anzuschließen. Ich habe dich und Mom lieb. Es tut mir leid, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Wenn
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