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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Anwälte.«
    *
    Wenn unser Glaube eine Blütezeit hatte, dann war es wahrscheinlich zwischen den Jahren 1955 und 1979; in diesem Zeitraum wuchs unser Orden von einigen wenigen Mitgliedern, von denen die meisten auf die eine oder andere Art miteinander verwandt waren, zu einer voll funktionsfähigen Religion mit einer umfassenden Theologie, einer erklärten Heimstatt (zwei erklärten Heimstätten, um genau zu sein; der ursprünglichen auf Mr. McIlones Luskentyre-Hof und der neuen in High Easter Offerance), einer gesicherten Folge von Schaltjährigen – durch meinen Vater, Christopher, und dann mich selbst – und einer stetig wachsenden Zahl von Konvertiten, von denen einige in der Gemeinde lebten und arbeiteten, während andere in der Außenwelt glücklicher waren, wenn sie auch dem Glauben verbunden blieben und schworen, sowohl zurückzukehren, sobald ihre Hilfe benötigt wurde, als auch als Missionare unter den Unerretteten zu fungieren.
    1979 ereilten uns dann zwei schwere Schicksalsschläge, die jeweils eine unserer beiden Heimstätten trafen. Im April starb Mr. McIlone auf Harris. Zu unserer Überraschung – und, wie ich gestehen muß, sehr zum Zorne unseres Gründers – starb er, ohne ein Testament zu hinterlassen, und so erbte ein Unerretteter seinen Besitz: Mr. McIlones abscheulicher Stiefbruder aus Banff, dessen einziges Interesse es war, den Hof so schnell wie möglich für so viel Geld wie möglich zu verkaufen. Er hat nichts für unseren Glauben übrig, und sobald das Anwesen rechtmäßig auf ihn übergegangen war, war es seine erste Amtshandlung, die Brüder und Schwestern, die dort lebten und arbeiteten, vor die Tür zu setzen. Einige dieser Menschen waren schon seit dreißig Jahren dort, hatten das Land bewirtschaftet und die Gebäude in Schuß gehalten, hatten drei Jahrzehnte lang Schweiß und Mühsal in den Hof gesteckt, allein für den Lohn, ein Dach über dem Kopf und Essen im Bauch zu haben, doch sie wurden ohne einen weiteren Gedanken, ohne ein Dankeschön oder auch nur ein freundliches Wort der Anerkennung davongejagt, als wären sie Verbrecher. Man erzählte uns, Mr. McIlones Stiefbruder gehe jeden Sonntag in die Kirche, aber bei Gott, es steckte nur wenig christliche Nächstenliebe in dem Mann. Wenn es seine Hölle tatsächlich gab, dann müßte er in alle Ewigkeit darin schmoren.
    Von den fünf Brüdern und Schwestern, die in Luskentyre lebten, als Mr. McIlone verschied, kamen zwei zu uns in die Gemeinde, einer blieb auf den Inseln, um auf einem anderen Hof zu arbeiten, einer blieb zum Fischen dort, und eine kehrte zu ihrer leiblichen Familie nach England zurück. Unsere Welt war plötzlich kleiner, und obgleich High Easter Offerance ein anheimelnder, fruchtbarer Ort und weit friedvoller als Luskentyre war, empfanden wir den Verlust unserer ursprünglichen Heimstatt doch so, als hätten wir einen alten Freund verloren. Natürlich war ich gerade mal drei Jahre alt, als dies geschah, und kann mich kaum an jene Zeit erinnern, aber ich bin überzeugt, daß mich die Stimmung der Menschen um mich herum nicht unberührt ließ und ich zweifelsohne auf meine eigene kindliche Art an ihrer Trauer teilhatte.
    Luskentyre blieb und bleibt eine heilige Stätte für unsere Gemeinschaft, und viele von uns haben eine Pilgerfahrt in jene Gegend gemacht – ich selbst bin letztes Jahr dorthin gereist, begleitet von Schwester Fiona und Schwester Cassie –, auch wenn der derzeitige Besitzer uns den Zugang zum Hof verwehrt und wir uns damit begnügen müssen, in einem örtlichen Bed-&-Breakfast zu nächtigen, die Küste und die Dünen abzuwandern und uns die Ruinen der zerstörten Seetang-Fabrik anzuschauen.
    Wie sich herausstellen sollte, war unsere Trauer ob des Verlusts von Luskentyre nur ein Vorgeschmack auf das, was uns am Ende des Jahres noch bevorstand.
    *
    »Ich muß morgen in Prag sein«, erklärte Yolanda, als wir endlich auf die Autobahn bogen, die uns bis auf wenige Meilen an High Easter Offerance heranbringen würde. »Bist du sicher, daß du nicht mitkommen möchtest?«
    »Oma, einmal abgesehen von allem anderen habe ich keinen Reisepaß.«
    »Schade. Du solltest dir einen besorgen. Ich werde dir einen besorgen.«
    »Ich denke, es ist problematisch, wenn wir einen Ausweis beantragen.«
    »Darauf wette ich. Was erwartest du von einem Land, wo sie dir nicht nur verbieten, bei der Einreise eine Waffe mitzubringen, sondern auch noch, eine zu kaufen, sobald du hier bist?« Sie schüttelte den

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