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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hochprozentiger Alkohol sei strengstens zu meiden. In der zweiten Woche nach den Offenbarungen unseres Gründers wurde es durchgestrichen, etwa um die Zeit herum, als Mr. McIlone begann, Großvater zum Zwecke der beschleunigten Genesung Whiskey zu verabreichen, wodurch Salvador daran erinnert wurde, daß auch der Alkohol seinen Platz hat, und er erkannte, daß das, was er als ein vermeintliches Verbot des Trinkens verstanden hatte, tatsächlich ein falsches Signal gewesen war.
    Bevor ich High Easter Offerance verlassen hatte, hatte ich meinem Großvater bei der jüngsten Überarbeitung der Orthographie, unserer heiligen Schrift und der Sammlung von Salvadors Weisheiten und Erkenntnissen, geholfen. Teil unserer Bemühungen war es, falsche Signale auszusondern, die Ergebnisse von Sendungen, deren Medium unser Gründer gewesen war, von denen sich aber im nachhinein herausgestellt hatte, daß sie Gottes Botschaft nur unvollständig wiedergaben. Ich erachte es als ein Zeichen der Stärke und des Einflusses einer höheren Wahrheit, daß unser Oberhaupt unbekümmert zurückschauen und eingestehen kann, daß einige seiner Verkündigungen fehlerhaft oder zumindest verbesserungsbedürftig waren. Natürlich ist das nicht wirklich sein Fehler; er hat immer versucht, die Stimme, die er hört, so akkurat und wortgetreu wiederzugeben wie möglich, aber er ist auch nur ein Mensch, und Irren ist menschlich. Der Mensch besitzt jedoch auch die Gabe, flexibel und anpassungsfähig zu sein, und ist – so sich der betreffende Mensch nicht dem schrecklichen Einfluß des Stolzes ergibt – imstande, einen Fehler einzugestehen und zu versuchen, ihn zu korrigieren.
    So kam es, daß unser Gründer, nachdem er ursprünglich verkündet hatte, Gott wäre ein Mann, später erkannte, daß die Stimme, die er gehört hatte, nur männlich geklungen hatte, weil er selbst ein Mann war; er hatte eine Männerstimme erwartet, er war in einer christlichen Gesellschaft aufgewachsen, die es als gegeben ansah, daß Gott ein Mann war, und die Gott immer als Mann abbildete, und so war es nur verständlich, daß mein Großvater, gefangen im Wirbelsturm der Offenbarungen, die Tatsache übersehen hatte, daß Gott nicht das war, was seine Erziehung ihn gelehrt hatte.
    Es ist wahr, daß wir nur eine begrenzte Anzahl von Offenbarungen, nur ein gewisses Maß an Veränderung auf einmal ertragen können; sonst würde uns die Verwirrung übermannen, und wir würden den Zusammenhang aus den Augen verlieren. Wir brauchen einen Rahmen, innerhalb dessen wir Konzepte zuordnen und verstehen können, und wenn die Konzepte, derer man sich bedient, so mächtig und so bedeutend sind, daß sie drohen, den Rahmen selbst zu sprengen, dann muß man darauf achtgeben, die Veränderungen sehr vorsichtig und nach und nach vorzunehmen, da man sonst Gefahr läuft, das gesamte zerbrechliche Gebäude des menschlichen Verständnisses zum Einsturz zu bringen. Daher hat Großvater schon die Vermutung geäußert, daß es sogar sein könnte, daß Gott ihn absichtlich fehlgeleitet oder zumindest keinen Versuch unternommen hat, ihn zu korrigieren, als offensichtlich wurde, daß er drauf und dran war, derartige Fehler zu begehen, denn dies zu tun wäre gleichbedeutend damit gewesen zu sagen: Alles, an das du bislang geglaubt hast, war falsch; diese Offenbarung hätte meinen Großvater sehr wohl dazu bringen können, an seinem eigenen Verstand zu zweifeln, oder wenigstens dazu, den einfacheren Weg zu wählen und das zu ignorieren, was Gott ihm sagte, Gottes Stimme als eine durch Blutverlust und Unterkühlung hervorgerufene Halluzination abzutun, anstatt sie als profunde Paradigmen-Verschiebung in der spirituellen Geschichte der Welt und die Geburt einer jungen und grundlegend neuen Religion zu erkennen.
    Nun, wie dem auch sei, Tatsache ist, daß Gott Salvador zu Anfang nur das bloße Skelett des neuen Glaubens gab, um diese neue Schöpfung dann später mit Fleisch zu versehen und unserem Gründer nach und nach die Dreifaltigkeit Seines Wesens zu offenbaren: Sowohl männlich und weiblich als auch geschlechtslos (das war es, was Gott den Christen gesagt hatte, doch sie interpretierten es aufgrund der damaligen Gesellschaftsstruktur, die durch und durch patriarchalisch war, fälschlicherweise als Vater, Sohn und Heiliger Geist).
    Ebenso glaubte Salvador ursprünglich, es gäbe einen Teufel – der Gehörnte, wie er ihn manchmal nannte – und auch eine Hölle, einen Ort ewiger Finsternis, dessen Wände

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