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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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wäre, Topec in mein Täuschungsmanöver zu verwickeln, solange sich das vermeiden ließe, besonders, da seine Mutter Allans rechte Hand zu sein schien.
    Im Zug war es warm. Ich schloß die Augen und versuchte, mir noch einmal ganz genau die Landkarte, die ich in der Buchhandlung in Edinburgh angesehen hatte, ins Gedächtnis zu rufen, damit ich wußte, in welche Richtung ich mich wenden mußte.
    Ich schlief ein, wachte jedoch vor Bellshill auf und konnte nach einer halbstündigen Wartezeit in den Anschlußzug nach Hamilton umsteigen. Ich folgte den Straßenschildern von Hamilton nach Mauchtie und traf dort vor neun Uhr an einem schönen, klaren blauen Abend ein.
    Das Gloamings-Pflegeheim war ein klotziges altes Gebäude aus rotem Sandstein, das zu beiden Seiten geschmacklos durch zwei kastenförmige, häßliche Betonflügel erweitert worden war. Das Haus stand etwas außerhalb des tristen Dorfes, umgeben von Rasenflächen und Platanen. Ein Sandweg zwischen dem Pflegeheim und einem ähnlichen Gebäude ohne Anbauten führte zu einigen Feldern und Weiden auf dem niedrigen Hügelkamm dahinter; auf der anderen Seite des Hauses stand ein Umspannwerk, dessen Leitungen sich summend über die Flanke des Hügels zogen. Das Pflegeheim bot Ausblick über weitere Felder und Weiden auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich ging die Rampe hinauf, die neben den Stufen zum Vordereingang führte.
    »Ja?« sagte die gehetzt aussehende junge Frau, die an die Tür kam. Sie trug eine blaue Uniform, wie eine echte Krankenschwester, und hatte eine krause Mähne aus schwarzem Haar, eine große rote Nickelbrille und einen geistesabwesenden Gesichtsausdruck.
    »Guten Tag«, grüßte ich und tippte mir an den Hut. »Ich bin gekommen, um Ms. Zhobelia Whit, geborene Asis, zu besuchen.«
    »Zhobelia?« gab das Mädel zurück, und ihr Gesicht verzog sich zu einem verärgerten Ausdruck.
    »Ja, genau. Dürfte ich hereinkommen?«
    »Nein, tut mir leid, Herzchen«, sagte sie, »das geht nicht.« Sie hatte eine hohe, näselnde Stimme. Ihre Brille wippte mit jedem Wort auf und ab. Die junge Frau warf einen Blick auf ihre Uhr. »Die Besuchszeit ist vorbei.«
    Ich bedachte sie mit einem sehr gütigen, herablassendem Lächeln. »Ich glaube, Sie verstehen nicht, junge Frau. Es ist sehr wichtig«, erklärte ich. »Erlauben Sie mir, mich vorzustellen; ich bin Die Gesegnete Gaia-Marie Isis Saraswati Minerva Mirza Whit von Luskentyre, Geliebte Auserwählte Gottes III.«
    Sie sah mich verständnislos an.
    Ich fuhr fort. »Ich ging davon aus, daß ich erwartet werde. Unsere Anwälte haben ein diesbezügliches Schreiben geschickt. Sie haben nichts davon gehört?«
    »Nee, tut mir leid… ich bin ganz allein hier, mir hat niemand was gesagt. Aber ich kann Sie trotzdem nich’ reinlassen, weil ich ganz allein hier bin, verstehen Sie?«
    »Bitte«, sagte ich. »Ich muß Ms. Zhobelia dringend noch heute abend sprechen. Ich bedaure, das sagen zu müssen, aber wenn es nötig sein sollte, habe ich Anweisung, eine richterliche Verfügung zu erwirken, durch die Sie angewiesen werden, mich umgehend zu Ms. Zhobelia vorzulassen, aber zweifellos würden die Leiter dieser Einrichtung – ebenso wie ich selbst – derartige rechtliche Schritte gern vermeiden, so sie zu vermeiden sind.«
    »Eh, einen Moment mal«, sagte das Mädel und schaute dabei so müde und verletzt drein, daß ich augenblicklich von Schuldgefühlen übermannt wurde, ihr einen solchen Mumpitz aufgetischt zu haben. »Hören Sie, ich darf Sie hier nicht reinlassen, Herzchen, so einfach ist das. Ich könnte meinen Job dafür verlieren, verstehen Sie? Die sind hier echt hart mit dem Personal.«
    »Um so mehr Grund, mich – «
    Ich bemerkte einen fahlen Schatten in der dunklen Halle hinter dem Mädchen.
    »Ist das mein Johnny?« fragte eine schwache, zittrige Stimme, und ein uraltes Gesicht – wie durchscheinendes Pergament, das man über gebleichte Knochen gespannt hatte – spähte hinter der Schulter des Mädchens hervor. Ich konnte Desinfektionsmittel riechen.
    »Nee, is’ er nicht, Miss Carlisle«, brüllte das Mädel. »Setzen Sie sich wieder in Ihren Sessel.«
    »Ist das mein Johnny?« fragte die alte Frau abermals, und ihre dürren, weißen Hände, die sie dicht ans Gesicht hielt, flatterten wie zwei schwache, angekettete Vögel.
    »Nee, es ist nich’ Ihr Johnny, Miss Carlisle«, brüllte das Mädel abermals in jener tonlos erhobenen Stimme, die zeigt, daß man weder im Zorn noch mit besonderer

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