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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hoch.
    »Bitte, Morag«, beschwor ich sie. »Er ist noch immer der Gründer, er ist noch immer mein Großvater. Es ist nur so, daß der Mann in ihm… und vielleicht der Alkohol die Oberhand über den Propheten gewonnen haben.«
    »Das ist doch Unsinn, Cousinchen«, erwiderte Morag.
    »Er hat uns alles gegeben, Morag«, erklärte ich ihr. »Unseren gesamten Lebensstil. Ich werde ihm nicht den Schatz absprechen, den er gefunden hat, nur weil die Hand, die die Truhe öffnete, allzu menschlich und unrein war.«
    »Sehr poetisch ausgedrückt«, gab Morag zurück, »aber du bist einfach zu scheißgroßzügig, das ist dein Problem.« Das war höchstwahrscheinlich die unzutreffendste Bemerkung, die sie an jenem Nachmittag gemacht hatte.
    »Nun«, sagte ich, »ich habe nicht vor, Allan gegenüber allzu großzügig zu sein, wenn ich erst einmal alle Beweise in der Hand habe, um damit vor die Gemeinde zu treten.«
    »Gut«, erklärte sie mit Inbrunst.
    »Wirst du mir helfen?« fragte ich sie.
    »Wie?« Sie sah mich offen an, Ricky argwöhnisch.
    »Würdest du mit zur Gemeinde kommen? Um meine Geschichte zu bestätigen? Ich meine, du sollst nur einfach die Wahrheit über diese Briefe und Allans Telefonanrufe und das, was er dir erzählt hat, sagen; über seine Lügen. Würdest du das tun?«
    »Glaubst du, die würden auf mich hören?« Sie klang zweifelnd.
    »Ich denke schon. Wir dürfen nur Allan nichts ahnen lassen, sonst wird er dich vorher bei allen in Mißkredit bringen, wie er es mit mir getan hat, aber wenn wir nichts davon erzählen, daß wir uns getroffen haben, dann sollte es uns möglich sein, ihn zu überraschen. Wenn wir dann alles bei einer Versammlung vortragen, bei der alle zugegen sind, bei einem großen Gottesdienst zum Beispiel, dann sollte er eigentlich keine Gelegenheit haben, den Verstand der Leute mit Gerüchten und Lügen zu vergiften. Es sollte uns gelingen, seine Schandtaten anzuprangern, ohne daß er zum Gegenschlag ausholen kann.«
    »Aber was ist mit den Pornos?« fragte Morag zaudernd.
    »Nun, es ist ganz sicher nicht der gesegnetste aller Berufe, aber es war deine vermeintliche Abkehr vom Glauben, die uns mehr als alles andere getroffen hat, und ich denke, daß bei deiner Heimkehr die Freude über deine Rückkehr in den Schoß unseres Glaubens größer sein wird als jeglicher Unmut ob der Tatsache, daß du deinen Ruhm in einer anderen künstlerischen Sparte als der Musik erworben hast«, erklärte ich mit ein wenig mehr Überzeugung, als ich tatsächlich empfand. »Salvador ist anscheinend verärgert – mehr über den Betrug denn über die wahre Natur deiner… Karriere, vermute ich –, aber ich denke, er wird sich wieder beruhigen.« Ich lächelte. »Du wirst ihn mit deinem Charme besänftigen.«
    »Ich kann es versuchen«, erwiderte Morag mit einem so bezaubernden Lächeln, daß man damit einen Stein hätte erweichen können.
    »Es wäre vielleicht das beste, wenn du und ich nicht gemeinsam dort auftauchten«, sagte ich, während ich mir die ganze Sache durch den Kopf gehen ließ. »Wir sollten natürlich um die gleiche Zeit herum eintreffen, aber nicht zu offensichtlich gemeinsam. Nun, vielleicht.«
    »In Ordnung. Was immer du meinst. Die Sache ist abgemacht. Aber wann?« fragte sie.
    Ich nickte, noch immer in meine Überlegungen versunken. Der nächste große Gottesdienst würde Sonntag abend stattfinden, zur Feier des Vollmondes. Bis dahin waren es nur noch zwei Tage, und somit war es wahrscheinlich zu früh, aber man konnte nie wissen. »Laß uns in Verbindung bleiben, aber wenn es hart auf hart kommt, könnte es schon übermorgen sein… Würde das gehen?«
    Morag lehnte sich mit nachdenklichem Gesicht zurück. »Heute sind wir noch hier«, sagte sie und blickte zu Ricky, der seinen Cheeseburger aufgegessen hatte und nun kleine Kleckse geschmolzenen Käses und Remoulade vom Tablett pulte. »Morgen sind Leven und Dundee dran«, fuhr Morag fort. »Übermorgen wollten wir eigentlich nach Aberdeen, aber statt dessen könnten wir auch nach Perth fahren und dann auch gleich Stirling mitnehmen. Ich kann dir die Nummern der Hotels geben, in denen wir übernachten. Wie wär das?«
    Ich überlegte. »Gut. Vielleicht dauert es aber auch noch ein paar Tage länger.«
    »Egal«, sagte Morag und nickte entschlossen. »Was steht als nächstes auf deiner Liste?«
    Es schoß mir durch den Kopf zu lügen – Schande auf mein Haupt –, aber dann ging mir ebenfalls durch den Sinn, daß es bei einem solchen

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