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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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um die dringlichsten meiner Probleme einer Lösung zuzuführen. Als der Zug schließlich in den Hauptbahnhof von Glasgow einfuhr, hatte ich bereits den Plan für meinen nächsten Feldzug geschmiedet.

 
Kapitel
Sechsundzwanzig
     
     
    »Ja?«
    »Guten Morgen. Könnte ich bitte mit Topec sprechen?«
    »Am Apparat.«
    »Bruder Topec, ich bin’s, Isis.«
    »Is! Mann, das ist eine Überraschung!« Mein Verwandter johlte gnadenlos laut. Ich hielt den Hörer einen Moment vom Ohr weg. »Bist du’s wirklich?« lachte er. »Du nimmst mich auf den Arm! Aber, he! Du darfst doch gar nicht telefonieren, oder?«
    »Normalerweise nicht. Aber der Zweck heiligt die Mittel, Topec.«
    »Im Ernst? Mann! Toll! Hel, komm doch vorbei, dann kannst du gleich die Jungs kennenlernen; wir wollten uns gerade was zum Frühstück zwischen die Kiemen schieben und dann losziehen und einen draufmachen.«
    »Über ein Frühstück würde ich mich sehr freuen.«
    »Klasse! Phantastisch! He«, sagte er, und seine Stimme klang einen Moment lang hallend und leise. »Das ist meine Cousine Isis.« (Topec und ich sind natürlich nicht wirklich Cousin und Cousine; unser tatsächliches Verwandtschaftsverhältnis ist um einiges komplizierter, aber ich verstand die Abkürzung.) »Aye. Sie kommt vorbei.« Ich hörte einen leisen Chor von johlenden Männerstimmen im Hintergrund, dann wieder Topecs Stimme, noch immer hallend. »Ja, die Hübsche, der weibliche Messias. Aye.«
    »Topec«, sagte ich seufzend. »Bring mich nicht in Verlegenheit. Im Moment verfüge ich nicht über die nötige emotionale Standfestigkeit.«
    »Hä? Was? Nee, mach dir keine Sorgen«, beschwichtigte er mich. »Also, wie kommt’s, daß du ein Telefon benutzt?«
    »Ich denke, ich brauche Hilfe.«
    »Wobei?«
    »Nachforschungen.«
    »Nachforschungen?«
    »In einer Bibliothek, oder vielleicht bei einer Zeitung. Ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus. Und da habe ich mich gefragt, ob du mir vielleicht behilflich sein könntest?«
    »Weiß nicht. Vielleicht. Ich kann’s ja mal versuchen. Ja, warum nicht? Also kommst du vorbei?«
    »Ich werde mich umgehend auf den Weg zu dir machen.«
    »Haha! Ich liebe die Art, wie du redest. Klasse. Die Jungs können es gar nicht abwarten, dich kennenzulernen. Du hast hier einen richtigen Fanclub.«
    Ich stöhnte auf. »Bis gleich.«
    »Hast du die Adresse?«
    »Ja. Ich werde in ungefähr einer halben Stunde da sein.«
    »Okey-dokey. Gib uns Zeit, die Bude ein bißchen aufzuräumen.«
    *
    Ich konnte nur annehmen, daß Topec und die drei Freunde, mit denen er die Wohnung in der Dalmally Street teilte, sich doch nicht die Mühe gemacht und aufgeräumt hatten – oder daß sich ihre Studentenbude gewöhnlich in einem Zustand befand, der dem Innern eines Müllwagens glich.
    Die Wohnung stank nach Bier, und der Teppich in der Diele blieb an meinen Stiefeln kleben, wie etwas, das entworfen worden war, um Astronauten das Umhergehen in einer Raumstation zu ermöglichen. Topec begrüßte mich mit einer Umarmung, die sowohl meinen Seesack als auch mich von den Füßen riß – der Teppich löste sich nur widerstrebend von meinen Stiefelsohlen, glaube ich –, und drückte mich, bis mir die Luft weg blieb.
    Topec ist ein lebhafter Bursche, hochgewachsen und hager und schier unglaublich gutaussehend; er hat langes, schwarzes, naturgelocktes Haar, das es – glücklicherweise – verträgt, ja sogar gedeiht, wenn man es weder kämmt noch in anderer Weise pflegt, und ein erregend dunkles, fein geschnittenes Gesicht mit Augen, die so durchdringend blau sind, daß sie wie Kobaltspeere anmuten. Er setzte mich wieder auf dem Boden ab, bevor ich das Bewußtsein verlor.
    »Isis!« rief er begeistert und trat einen Schritt zurück, ließ sich auf alle viere sinken und verneigte sich lachend. »Ich bin nicht würdig! Ich bin nicht würdig!« Er trug zerrissene Jeans und ein zerrissenes T-Shirt unter einem ausgefransten Karohemd.
    »Hallo, Topec«, sagte ich so müde, wie ich mich fühlte.
    »Sie ist da!« brüllte Topec, sprang wieder auf die Füße und zerrte mich hinter sich her ins Wohnzimmer, wo drei andere junge Männer grinsend an einem Tisch saßen, Karten spielten, Tee tranken und fetttriefendes Essen aus Blechbehältern löffelten.
    Ich schob ein Paar schmutzstarrende Socken von dem Stuhl, den man mir anbot, und setzte mich. Augenblicklich wurde ich Steve, Stephen und Mark vorgestellt und eingeladen, an ihrem Frühstück teilzuhaben, welches aus den indischen und

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