Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
chinesischen Resten einer gemeinschaftlichen Imbiß-Mahlzeit vom vergangenen Abend bestand, ergänzt von einem Teller voller riesiger, weicher, mehliger Brötchen. Sie schenkten mir Tee ein, und mein Hunger erwies sich als so groß, daß ich die kalten, fettigen Überbleibsel der letzten Nacht recht schmackhaft fand. Die Brötchen waren mehr Schein als Sein und bestanden anscheinend hauptsächlich aus Luft, aber wenigstens waren sie frisch.
    Ich plauderte mit den anderen drei jungen Männern, die alle an einer beachtlichen Vielfalt von Pickeln und vergleichbaren Hautstörungen litten. Meine Anwesenheit schien sie verlegen zu machen, was ich vielleicht als schmeichelnd empfunden hätte, wenn ich die nötige Energie dazu hätte aufbringen können. Sie spielten weiter Karten, während sie sich unterhielten und aßen, wobei sie einander lautstark beschimpften, als wären sie zu allem bereite, mordlüsterne Gesetzlose, die gerade die Beute eines Überfalls verzockten, statt, wie ich annahm, recht gute Freunde, die offenkundig um Süßigkeiten namens Smarties spielten.
    »Sind das Ohrringe, Topec?« fragte ich, als Topec – nachdem sich einige Haare in seinen Mund verirrt hatten, während er abwechselnd sein Zitronenhähnchen und sein Brötchen mampfte – sein Haar hinters Ohr schob und dabei den Blick auf etwa ein halbes Dutzend kleiner Stecker und Ringe freigab, die den Knorpelrand seines linken Ohrs zierten.
    Er schenkte mir ein hinreißendes Lächeln. »Ja. Cool, was?«
    »Hmm.« Ich machte mich wieder über mein Luftbrötchen her.
    Topec schaute gekränkt drein. »Gefallen sie dir nicht?« fragte er flehend.
    Ich nahm davon Abstand, ihn darauf hinzuweisen, daß unser Glaube das Durchstechen von Körperteilen mißbilligte, ebenso wie ich darauf verzichtet hatte, Topec auf das fehlende Schlamm-Zeichen auf seiner Stirn anzusprechen. »Ich war immer der Ansicht, daß der menschliche Körper von Natur aus mit einer mehr als ausreichenden Anzahl von Öffnungen geliefert wird«, bemerkte ich statt dessen.
    Topec schaute ein wenig unbehaglich drein, doch er räusperte sich und erkundigte sich höflich, wobei genau ich denn nun Hilfe bräuchte.
    Ohne auf die näheren Einzelheiten einzugehen, erklärte ich, daß ich Army-Unterlagen einsehen wollte sowie Erkundigungen über Geschehnisse des Jahres 1948 einziehen, soweit in Zeitungen darüber berichtet worden war, und mich möglicherweise über alte Zahlungsmittel informieren. Noch während ich die Worte aussprach, übermannte mich das Gefühl, daß schon die bloße Nennung dieser drei Bereiche zuviel verriet, doch Topec zuckte mit keiner Wimper, und ich fand, daß ich seine Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Ich mußte meine Nachforschungen mit einiger Eile vorantreiben, und als Student sollte Topec sich in Bibliotheken auskennen, oder? Nachdem ich den vier Burschen zugehört hatte, wie sie einander beim Kartenspielen aufzogen und beschimpften, fragte ich mich allerdings, ob meine Entscheidung wirklich klug gewesen war, doch ich hatte nun einmal einen Plan geschmiedet, und nun sollte ich mich weiter daran halten.
    »Ach, Scheiße, Is!« rief Topec aus, als ich ihm erklärte, daß Eile geboten sei. »Das willst du jetzt machen? Ach, Mist, Mann! Heute ist Samstag, Is!« sagte Topec lachend und fuchtelte mit den Armen. Seine Kumpel stimmten begeistert nickend zu. »Wir müssen hier raus und auf den Putz hauen und uns gute Jazz-Mucke anhören und auf die Piste gehen oder hierher zurückkommen und ein paar Bierchen kippen und auf die Fußballergebnisse wetten und losziehen und uns vollaufen lassen und Black Pudding und Fritten einschmeißen und zum QMU gehen und wie die Irren abtanzen und versuchen, mit den Krankenschwestern einen loszumachen, und dann am Ende wieder herkommen und ’ne Spontan-Fete feiern und im Garten kotzen und Sachen aus dem Fenster werfen und telefonisch ’ne Pizza bestellen und im Flur mit den leeren Bierdosen kegeln.«
    Er lachte.
    »Du kannst doch nicht eine… eine Monate alte Tradition wie diese stören, nur weil du diese blöden Nachforschungen machen mußt! Ich meine, Scheiß drauf, wenn wir auf so was Bock hätten, dann würden wir unsere Referate für die Uni schreiben! Und sehen wir etwa aus wie traurige Studenten? Komm schon; wir versuchen hier, ehrwürdige Studententradition wiederaufleben zu lassen. Wir müssen abfeten!«
    »Fete!« grölten die anderen im Chor.
    Ich sah Topec an. »Du hast mir erzählt, die Studenten heutzutage wären alle

Weitere Kostenlose Bücher