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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ladens. Ich hatte einen kleinen, alten, gebeugten Tattergreis mit einer Patina aus Haarschuppen und Staub erwartet, doch dieser Mann war auf meiner Seite der Fünfzig, wohlbeleibt und mit einem weißen Polohemd und cremefarbenen Hosen bekleidet.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »He-ho«, erwiderte Topec seinen Gruß und hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen. Der Mann schien unbeeindruckt.
    Ich tippte mir an den Hut. »Guten Morgen, Sir.« Ich holte die Banknote heraus und legte sie zwischen uns auf den Glastresen, in dem matt schimmernde Silbermünzen und Orden mit bunten Bändern ausgestellt waren. »Ich würde gern wissen, ob Sie mir wohl etwas über diese Banknote sagen könnten…« erklärte ich.
    Er hob den Geldschein vorsichtig hoch, hielt ihn gegen das schummrige Licht des einzelnen kleinen Schaufensters, dann knipste er eine winzige, doch starke Tischlampe an und betrachtete die Banknote kurz.
    »Nun, im Grunde steht alles Wichtige drauf«, sagte er schließlich. »Eine Zehnpfundnote, Royal Scot Linen, Juli Achtundvierzig.« Er zuckte mit den Achseln. »Sie wurden in dieser Form von Mai Fünfunddreißig bis Januar Dreiundfünfzig gedruckt, als die RSL von der Royal Bank übernommen wurde.« Er drehte die Banknote einige Male um, bewegte sie in seinen Fingern, wie ein Falschspieler eine Karte. »Eine recht verzierte Banknote, für ihre Zeit. Sie wurde von einem Mann namens Mallory entworfen, der Zweiundvierzig für den Mord an seiner Frau gehängt wurde.« Er schenkte uns ein angemessen kühles Lächeln. »Ich vermute, Sie wollen wissen, wieviel sie wert ist.«
    »Ich hatte gedacht, sie wäre zehn Pfund wert«, sagte ich. »Wenn sie noch als legales Zahlungsmittel gilt.«
    »Die ist kein legales Zahlungsmittel mehr«, erwiderte der Mann grinsend und schüttelte den Kopf. »Ist etwa vierzig Mäuse wert, druckfrisch, was diese hier nicht ist. Wenn Sie sie verkaufen wollen, könnte ich Ihnen fünfzehn geben, aber auch das nur, weil ich gern runde Summen mag.«
    »Hmm«, sagte ich. »Nun, dann behalte ich sie vielleicht doch lieber.«
    Ich stand da und schaute auf die Banknote, ließ einfach die Zeit verstreichen. Der Mann drehte den Geldschein auf dem Tresen noch einmal um.
    »Also gut«, sagte ich, als Topec neben mir langsam ungeduldig wurde. »Vielen Dank, Sir.«
    »Gern geschehen«, erwiderte der Mann nach kurzem Zögern.
    Ich nahm die Banknote, faltete sie und steckte sie wieder in die Tasche. »Guten Tag«, sagte ich und tippte mir an den Hut.
    »Ja«, erwiderte der Mann stirnrunzelnd, als ich mich umdrehte und, gefolgt von Topec, zur Tür ging. Ich öffnete die Tür, so daß abermals die Glocke schellte. »Äh, einen Moment«, sagte der Mann. Ich drehte mich wieder zu ihm um.
    Er winkte mit der Hand, so als würde er etwas von einem unsichtbaren Schirm zwischen uns reiben. »Nein, nein, ich will Ihnen nicht mehr bieten, verstehen Sie mich nicht falsch; mehr ist sie wirklich nicht wert, aber… könnte ich sie mir wohl noch einmal ansehen?«
    »Natürlich.« Ich ging zurück an den Tresen und reichte ihm abermals die Banknote. Er betrachtete sie stirnrunzelnd. »Dürfte ich die wohl kopieren?« fragte er.
    »Würde sie darunter leiden?« erkundigte ich mich.
    Er lächelte nachsichtig. »Nein, würde sie nicht.«
    »Also gut.«
    »Es dauerte nicht lange.« Er verschwand im Hinterzimmer des Ladens. Einige leise mechanische Laute drangen nach vorn. Gleich darauf kam der Mann wieder zurück, in den Händen die Banknote und eine Kopie von beiden Seiten auf einem großen Blatt Papier. Er reichte mir den Geldschein zurück. »Haben Sie eine Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Topec, hättest du etwas dagegen…?«
    »Häh? Was? Oh! He, nein; nein, jederzeit. Pas de problème.«
    Ich gab dem Mann Topecs Telefonnummer.
    »Was jetzt?« fragte Topec, als wir wieder draußen auf der Straße standen.
    »Army-Unterlagen und alte Zeitungen.«
    *
    Gelegentlich treffe ich auf technische »Errungenschaften«, an denen ich Gefallen finde. Das Mikrofiche-Lesegerät mit dem eingebauten Kopierer, zu dem man mich in der Mitchell Library führte, erwies sich als eine derartige Maschine. Es ähnelte einem großen, hochkant aufgestellten Fernsehgerät, aber tatsächlich war es eine Art Projektor, der die stark vergrößerten Abbilder alter Zeitungen, Dokumente, Zeitschriften und anderer Papiere, die man fotografiert und – jeweils zu hunderten – auf ein Stück dünnes, laminiertes

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