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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hat. Wir können uns nur bemühen, können unser Bestes geben und versuchen, uns weder hinter Ignoranz zu verstecken noch die Reichweite unseres Wissens zu überschätzen. Ich mußte mich immer wieder zwingen, zu meiner derzeitigen Aufgabe zurückzukehren und weiter die Vergangenheit nach dem Schlüssel zur Gegenwart abzufischen.
    Und ich fand ihn.
    Es stand im Glasgow Courier vom Donnerstag, dem 30. September 1948. Es war gut, daß ich schon saß; das von familiären Enthüllungen hervorgerufene Schwindelgefühl schien kein Zustand, gegen den ich je immun wurde, trotz der Häufigkeit, mit der es mich in den vergangenen Tagen übermannt hatte. Mein Blickfeld verschwamm einen Moment lang, doch ich saß einfach nur da und wartete ab, bis es sich wieder klärte.
    Ich las weiter, während Topec neben mir saß und ebenfalls las – oder zumindest so tat.
     
Polizei und Militärpolizei fahnden derzeit nach Moray Black (28), einem Gefreiten der Dumbartonshire Fusilieres, der in Zusammenhang mit einem Überfall in der Ruchill-Kaserne in Glasgow vernommen werden soll. Bei dem Überfall handelt es sich um den tätlichen Angriff auf einen Unteroffizier der Soldstelle, in dessen Verlauf eine größere Geldsumme entwendet wurde. Gefreiter Black – der Beschreibung nach 177 cm groß und 72 Kilo schwer, mit braunem Haar – könnte sich im Raum Govan aufhalten…
     
    Die Worte tanzten vor meinen Augen. Ich wartete ab, bis sie sich wieder beruhigt hatten… uneheliches Kind einer Textilfabrikarbeiterin aus Paisley… aufgezogen von seiner Großmutter, einem Mitglied der Grimsby Brethren, einer charismatischen Sekte… Mitglied einer Verbrecherbande… verdächtigt als Schieber während des Krieges… Militärdienst…
    »Fertig!« rief Topec aus.
    Ich drehte mich lächelnd um, während ich mich fragte, ob Topec denn nicht hören konnte, wie laut mein Herz klopfte.
    »Gut«, sagte ich und steckte den Mikrofiche in seinen Kasten zurück. »Topec, würdest du bitte eine der Bibliothekarinnen fragen, ob es gestattet ist, hier am Tisch ein Glas Wasser oder einen Becher Tee zu trinken? Ich habe Durst, aber ich möchte nicht…«
    »Geht klar!« sagte er und sprang von seinem Stuhl auf, als würde ihn eine Feder hochschnellen lassen.
    Ich legte den Mikrofiche wieder in das Gerät ein und machte zwei Kopien davon, während Topec fort war. Dann sah ich eilig die anderen Zeitungen durch. Sie alle führten Berichte über die Sache, wobei allerdings der Courier die meisten Einzelheiten zu haben schien; sein Reporter hatte ein Exklusivinterview mit der Großmutter des Gefreiten Black geführt. Ich ging zu einem anderen Regal und suchte den Kasten mit den Zeitungen von Oktober heraus.
    Am Samstag, dem 2. Oktober, gab es einen weiteren Artikel im Courier, in dem stand, daß die Fahndung nach Black weiter fortgesetzt würde. Der Unteroffizier, der bei dem Überfall verletzt worden war, erholte sich im Krankenhaus von einer Gehirnerschütterung.
    Auf derselben Seite fiel mir ein vertrautes Wort ins Auge; es stellte sich als der Name eines Schiffes heraus. Es tauchte in einem Artikel auf, in dem berichtet wurde, daß die SS Salvador – ein Frachtschiff von 11.500 BRT, eingetragen in Buenos Aires –, die am Morgen des 28. September aus dem Hafen von Govan ausgelaufen und auf Fahrt nach Quebec, New York, Colon und Guayaquil gegangen war, in der Nacht des 30. September vor den Äußeren Hebriden in ein Unwetter geraten war und schwere Schäden davongetragen hatte. Das Schiff war mittlerweile auf dem Rückweg nach Glasgow. Unter seiner Fracht hatten sich Eisenbahnwaggons und andere bewegliche Güter befunden, die für Südamerika bestimmt gewesen waren. Etliche Waggons, die man auf Deck festgemacht hatte, waren bei dem Unwetter über Bord gespült worden.
    Mein Gott.
    Ich las den Artikel über die SS Salvador noch einmal und blickte zur Decke.
    Mein Großvater war nach einem Eisenbahnunglück an Land gespült worden?
    *
    Wir kehrten zu Topecs Wohnung zurück. Stephen berichtete betrunken, daß ein gewisser Mister Wowerwas – haha – eine Nachricht für mich hinterlassen hätte und mich bat, ihn unter seiner Privatnummer anzurufen.
    Ich rief Mr. Womersledge an. Er sagte, die fortlaufende Nummer der Zehnpfundnote, die ich ihm gezeigt hatte, gehöre zu einer Serie, die im September 1948 dem Army Pay Corps gestohlen worden sei. Die Banknote könnte mehr wert sein, als er ursprünglich angenommen hatte, und er würde mir jetzt fünfzig Pfund dafür

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