Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
nach. »Na ja, ich weiß nicht, jedenfalls besser als –«
»Ja, ja, ich weiß, als in einem Haufen Klonk zu leben.« Thomas stand auf und schob den Stuhl zurück unter den Tisch. Er mochte Chuck, aber es war unmöglich, ein intelligentes Gespräch mit ihm zu führen. Ganz zu schweigen davon, wie frustrierend und nervig es war. »Komm, mach dir noch ein schönes Butterbrot. Ich gehe mich jetzt umgucken. Bis heute Abend.«
Er verließ die Küche und trat hinaus auf den Hof, bevor Chuck sich ihm anschließen konnte. Auf der Lichtung lief alles wieder seinen gewohnten Gang – die Jungen verrichteten ihre Arbeiten, die Tür zur Box war geschlossen, die Sonne schien. Alle Spuren von wahnsinnigen Mädchen mit Nachrichten vom bevorstehenden Untergang waren verschwunden.
Da seine Tour unterbrochen worden war, beschloss er auf eigene Faust eine Wanderung rund um die Lichtung zu machen, um einen besseren Überblick zu bekommen. Er setzte sich in Richtung Nordostecke in Bewegung, auf die langen Reihen hoher, grüner Maisstauden zu, die aussahen, als könnte man die Kolben bald ernten. Es gab auch noch anderes Gemüse: Tomaten, Salat, Erbsen, vieles, was Thomas nicht erkannte.
Er atmete tief ein, weil er den frischen Geruch von Erde und Grünzeug liebte. Irgendwie war er sich sicher, dass der Geruch schöne Erinnerungen wachrufen würde, aber da war wieder nichts. Als er näher kam, sah er mehrere Jungen, die auf den kleinen Äckern Unkraut rupften und ernteten. Einer winkte ihm lächelnd zu. Mit einem aufrichtigen Lächeln.
Vielleicht ist es ja doch gar nicht so schlimm hier , dachte Thomas. Es sind bestimmt nicht alle unfreundlich. Er atmete die gute Luft noch einmal tief ein und riss sich von seinen Gedanken los – es gab noch viel mehr, was er sehen wollte.
Als Nächstes gelangte er in die Südostecke, wo hinter schlampig zusammengenagelten Zäunen mehrere Kühe, Ziegen, Schafe und Schweine standen. Keine Pferde. Mist , dachte Thomas. Reiter wären auf jeden Fall schneller als Läufer. Beim Näherkommen war er immer stärker überzeugt, dass er in seinem vorherigen Leben mit Tieren zu tun gehabt haben musste. Ihre Gerüche und Geräusche – alles schien ihm so vertraut.
Der Geruch war unangenehmer als auf den Feldern, aber trotzdem hätte es viel schlimmer sein können. Er erforschte die Gegend und entdeckte, wie gut die Lichter sich um alles kümmerten, wie sauber alles war. Es beeindruckte ihn, wie perfekt organisiert alles sein musste und wie hart die Jungen arbeiteten. Er konnte sich kaum ausmalen, wie grauenhaft es hier wäre, wenn man sich faul und dumm verhalten würde.
Schließlich schlenderte er hinüber in die Südwestecke zum Wald.
Er ging auf die kahlen, abgestorbenen Bäume vor dem dichteren Wald zu, als er von einer schnellen Bewegung an seinen Füßen aufgeschreckt wurde, gefolgt von schnellen Klackgeräuschen. Er sah gerade noch rechtzeitig nach unten, um die Sonne auf etwas blitzen zu sehen – etwas Metallisches, eine Spielzeugratte –, das an ihm vorbei- und auf das Wäldchen zuwieselte. Das Ding war gute drei Meter entfernt, da erkannte er, dass es keine Ratte war – es wirkte eher wie eine Eidechse mit mindestens sechs Beinen, auf denen der lange Silberrumpf vorwärtsglitt.
Eine Käferklinge. So beobachten sie uns, hatte Alby gesagt.
Er bemerkte einen roten Lichtstrahl, der den Boden vor der Kreatur absuchte, als käme er aus deren Augen. Sein Verstand sagte Thomas, dass seine Einbildung ihm etwas vorgaukeln musste, aber er hätte schwören können, dass er das Wort ANGST gesehen hatte, das in großen roten Buchstaben auf dem runden Rücken stand. Etwas so Seltsames musste untersucht werden.
Thomas rannte dem weghuschenden Spion hinterher und war in Sekundenschnelle im dichten Wald, und die Welt wurde dunkel.
Er konnte kaum glauben, wie schnell das Licht verschwand. Von der Lichtung aus sah der Wald gar nicht so groß aus, vielleicht ein Hektar oder so. Aber die Bäume waren hoch und hatten dicke, dicht beieinanderstehende Stämme und hoch oben ein geschlossenes Blätterdach. Alles um ihn herum wirkte gedämpft, grün und düster, als ob die Sonne gleich unterginge.
Es war schön und unheimlich, beides zugleich.
Thomas rannte, so schnell er konnte, krachend durch das Unterholz, dünne Zweige schnellten ihm ins Gesicht. Er duckte sich unter einem niedrigen Ast durch und wäre fast gestolpert. Um das Gleichgewicht wiederzubekommen, fasste er nach einem anderen Ast und
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