Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
einen Vorschlag machte: »Wir müssen da lang, um zu unserem Abschnitt zu kommen. Wir beobachten ihn eine Zeit lang – wenn er uns verfolgt, rennen wir zurück zur Lichtung.« Er blickte noch einmal um die Ecke und sah dann schnell über die Schulter zu Thomas. »Klonk – er ist weg! Komm!«
Minho wartete keine Antwort ab und sah nicht den entsetzten Ausdruck in Thomas’ Augen. Minho rannte in die Richtung los, in der er den Griewer gesehen hatte. Auch wenn all seine Instinkte dagegen rebellierten, folgte Thomas ihm.
Er sprintete hinter Minho einen langen Gang entlang, erst nach links, dann nach rechts. Bei jeder Abzweigung verlangsamten sie das Tempo, so dass der Hüter erst um die Ecke spähen konnte. Minho flüsterte Thomas jedes Mal zu, dass er das hintere Ende des Griewers um die nächste Ecke hatte verschwinden sehen. Das Spiel ging noch zehn Minuten so weiter, dann gelangten sie an den langen Gang, der an der Klippe endete, hinter der nichts als der leblos graue Himmel war.
Minho blieb so abrupt stehen, dass Thomas fast über ihn gestolpert wäre. Dann sahen beide geschockt zu, wie der Griewer die Spikes in den Steinboden grub und sich bis direkt zur Abbruchkante vorwärtskatapultierte und dann hinunter in die graue Tiefe. Die Bestie verschwand aus dem Sichtfeld, ein Schatten, der von anderen Schatten geschluckt wurde.
»Jetzt ist alles klar«, sagte Minho.
Thomas stand neben ihm am Klippenrand und starrte hinunter ins graue Nichts. Nirgendwo war irgendetwas zu sehen, links nicht, rechts nicht, oben und unten auch nicht. Nichts als eine leere Fläche, so weit das Auge reichte.
»Was ist klar?«, fragte Thomas.
»Drei Mal haben wir das jetzt erlebt. Etwas geht da vor sich.«
»Ja.« Thomas ahnte, was er meinte, wartete aber trotzdem seine Erklärung ab.
»Der tot spielende Griewer, den ich gefunden habe – der ist in diese Richtung weggerannt und wir haben ihn nie zurückkommen oder ins Labyrinth verschwinden sehen. Dann die Schleimscheißer, die wir mit deinem Trick dazu gebracht haben, an uns vorbeizuspringen.«
»Trick?«, erwiderte Thomas. »Vielleicht war es gar kein so toller Trick.«
Minho sah ihn nachdenklich an. »Hmm. Na ja, und jetzt das.« Er zeigte in den Abgrund. »Es gibt keinen Zweifel mehr – die Griewer können das Labyrinth hier verlassen . Sieht aus wie fauler Zauber, aber das ist das Verschwinden der Sonne ja auch.«
»Und wenn sie das Labyrinth hier verlassen können«, führte Thomas den Gedanken weiter, »dann können wir das auch.« Eine Welle der Begeisterung durchfloss ihn.
Minho lachte. »Da ist wieder deine Todessehnsucht! Kaffeeklatsch mit den Griewern oder was?«
Das ernüchterte Thomas schlagartig. »Hast du ’n besseren Vorschlag?«
»Eins nach dem anderen, Frischling. Wir besorgen uns jetzt Steine und untersuchen den Abgrund mal genau. Es muss einen verborgenen Ausgang geben.«
Thomas half Minho dabei, in den Ecken und unter den Labyrinthwänden so viele lose Steine wie möglich zu sammeln. Mit den Messerspitzen bearbeiteten sie die Spalten in den Wänden, aus denen kleine Felsbrocken zu Boden fielen. Als sie endlich einen ansehnlichen Haufen Steine beisammenhatten, trugen sie ihn an die Kante und setzten sich mit den Füßen über dem Abgrund baumelnd hin. Beim Blick nach unten sah Thomas nichts als graue Tiefe.
Minho zog Block und Stift hervor und legte beides neben sich auf den Boden. »Okay, wir schreiben alles ganz genau auf. Und du merkst dir auch alles schön mit deinem Nepphirn. Wenn es hier irgendeine optische Täuschung gibt, hinter der ein Ausgang aus diesem Saftladen versteckt ist, dann will ich nicht dafür verantwortlich sein, wenn der erste Strunk danebenspringt.«
»Dieser Strunk sollte natürlich der Hüter der Läufer sein«, sagte Thomas und versuchte seine Angst dadurch zu überspielen. An einer Stelle zu sitzen, an der jede Sekunde ein Griewer herausspringen konnte, brachte ihn ins Schwitzen. »Man müsste sich an einem richtig guten Seil festhalten.«
Minho nahm den ersten Stein von ihrem Haufen. »Genau. Gut, wir werfen jetzt immer abwechselnd, im Zickzack weiter weg und weiter vorn. Wenn es tatsächlich irgendeine magische Tür hier gibt, dann werden wir das hoffentlich mit den Steinen herausfinden. Die müssten ja genauso verschwinden.«
Thomas nahm einen Stein und warf ihn gezielt weit nach links, genau dahin, wo die linke Labyrinthmauer auf die Klippe traf. Der Stein fiel. Und fiel. Und verschwand dann im grauen
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