Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
Vom Netzwerk:
weiterredete: »… bilden sie kleine Ringe oder Schalen, und …«
    Sie hielt inne, und Niels übernahm. »Um die Sache abzukürzen, es sind noch zwei Punkte offen: Kopenhagen und Venedig.«
    Schweigen. Die Sekunden vergingen.
    »Venedig?«
    Sommersted sah von Hannah zu Niels und wieder zurück. »Venedig? Ich war auf meiner Hochzeitsreise in Venedig.«
    Sein Sarkasmus war bei Hannah fehl am Platz.
    »Warum sagen Sie das?«, fragte sie.
    Niels räusperte sich und sprach lauter, um die Nachricht zu übertönen, die auf Englisch durch den Kongresssaal hallte.
    »Heute Abend«, sagte er, »oder besser gesagt, heute Nachmittag bei Sonnenuntergang, also etwa kurz nach vier …«
    »Um exakt 15.48 Uhr«, ergänzte Hannah.
    Niels fuhr fort: »Um 15.48 Uhr wird ein Mord begangen werden. Entweder hier oder in Venedig.«
    Die Umstehenden sahen sie neugierig an. Offensichtlich waren das Dänen, Journalisten, deren Presseausweis an einer Nokia-Schnur um ihren Hals hing.
    »In Venedig geht die Sonne in fünf Stunden unter. Hier schon in drei. Wir haben nicht viel Zeit.«

64.
    64.
    Ospedale Fatebenefratelli, Bibliothek, Venedig Tommaso erinnerte sich an jeden der Tatorte. Auch an den ersten. Tansania, Peru, Brasilien. Mit Filzstift hatte er sie auf der Karte eingezeichnet, die er aus dem Kinderatlas gerissen hatte. Dann hatte er die Ozeane mit einem Skalpell entfernt und die Landmassen rund um den Südpol wieder zusammengesetzt. Schon mit bloßem Auge erkannte er den Zusammenhang.
    Obschon Tommaso die Tür der Bibliothek geschlossen hatte, waren von draußen auf dem Flur Stimmen zu hören. Er starrte auf die Abschnitte, die auf dem Tisch lagen. Eine Welt, die erst zerschnitten und dann stümperhaft wieder zusammengesetzt worden war. Draußen setzte der Klagegesang einer Sirene ein, aber erst als er an das kleine, quadratische Fenster trat und sah, wie die Venezianer nach Hause stürzten, wurde ihm klar, was dieses Heulen zu bedeuten hatte: Das Wasser würde in wenigen Minuten lautlos über die Ufer der Kanäle treten und die Stadt überschwemmen. Trotzdem nahm er seinen Blick nicht von der Karte, von den ausgeschnittenen Ozeanen. Wollte sich das Wasser der Lagune an Tommaso rächen, weil er es aus der Karte geschnitten hatte?
    Unsinn.
    Es war jetzt einfach die Zeit der Lagunenüberschwemmungen. Mehrmals in der Woche musste die Bevölkerung Venedigs Wathosen und Gummistiefel anziehen, die Türen verbarrikadieren und alle Spalten und Ritzen versiegeln. Auch er sollte nach Hause gehen, oder konnte er seinen Untermieter anrufen und ihn bitten, die Hochwasserschutzplatten zu montieren? Der Gedanke an das Telefon ließ ihn wieder an den Anruf aus Dänemark denken. Noch einmal versuchte er, die dänische Frau zurückzurufen, die ihm die Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen hatte. Sie ging nicht ans Telefon.
    ***
    Tommasos Mutter lag wenig überraschend noch genauso da, wie er sie verlassen hatte. Allein. Tommasos Kopf schmerzte, und er spürte ein heftiges Ziehen im Rücken. Draußen auf dem Flur ging eine Krankenschwester vorbei.
    »Entschuldigung, könnte ich eine Schmerztablette bekommen?«
    Die Krankenschwester sah ihn lächelnd an und sagte: »Ich hole den Arzt.«
    Und schon war sie weg. Das Hospiz war jetzt ziemlich verwaist. Nur das allernötigste Personal und natürlich die Patienten waren hier.
    »Ich konnte ihn nicht gleich finden.« Die Schwester steckte den Kopf zur Tür herein. »Aber ich gebe Bescheid, sobald ich ihn sehe.«
    »Danke.«
    Sie blickte ihn mitfühlend an.
    »Ich habe eben mit Schwester Magdalena gesprochen.«
    »Sie hat sehr viel Zeit mit meiner Mutter verbracht. Ich bin ihr sehr dankbar dafür.«
    »Schwester Magdalena ist auf dem Weg hierher.« Die Krankenschwester lächelte. »Trotz Hochwasser. Sie sagte, es sei wichtig und dass Sie nicht gehen sollten, bevor sie mit Ihnen gesprochen hat.«
    Tommaso hatte nicht die Spur einer Ahnung, was so wichtig sein konnte.
    »Ist sonst noch jemand aus der Familie unterwegs?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Vielleicht sollten Sie nach unten gehen und eine Kerze für Ihre Mutter entzünden.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Ich sage Schwester Magdalena dann, dass Sie nicht weit weg sind.«
    Tommaso lächelte. Sein katholisches Gewissen half ihm auf die Beine. Natürlich würde er eine Kerze für sie anzünden, damit sie genügend Licht hatte, um durch das Fegefeuer zu navigieren.
    ***
    Er trat aus dem Haupteingang. Neben den Marmorsäulen, die das alte Hospital stützten, war

Weitere Kostenlose Bücher