Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski

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Verbrechen gegen die Menschlichkeit mindestens achtunddreißig Mal lebenslänglich absitzen müssten. Jetzt aber war sie hier, die ganze Bande. Um die Thermostate etwas zu drosseln. Es war beinahe rührend.
    »Sommersted?«, fragte Niels einen Beamten.
    »Irgendwo drinnen. Das ist die reinste Hölle bis jetzt. Obama ist da.«
    Niels klopfte ihm lächelnd auf den Rücken. Der Beamte schüttelte den Kopf. »Es ist echt nicht zu sagen, ob wir hier die Show leiten oder ob das der Secret Service ist«, meinte er. Show , dachte Niels. Vielleicht traf diese Bezeichnung wirklich zu. Die Demonstranten standen hinter einem drei Meter hohen Zaun und sahen aus wie Flüchtlinge der russischen Revolution: schwarze Kleider, verfroren und ungefährlich. Die wirklich gefährlichen waren in Gewahrsam genommen worden, solange Obama hier war, denn sie hätten sich auch nicht durch diesen Zaun aufhalten lassen können.
    Sommersted stand vor den Fernsehkameras der Journalisten und lächelte entspannt, obgleich die Fragen nur so auf ihn einhagelten: Warum mussten die Demonstranten so lange auf dem kalten Boden sitzen? Warum hatte die Polizei sich nicht besser vorbereitet? Demonstranten im Krankenhaus, Polizeibrutalität . Fast schien es, als würde Sommersteds Lächeln mit jeder Anklage, die gegen die Kopenhagener Polizei gerichtet wurde, breiter. Schließlich hob er abwehrend die Hände.
    »In diesem Moment befinden sich fünf meiner Beamten in der Ambulanz. Drei von ihnen mit schweren Gehirnerschütterungen. Einem wurden durch Schläge mit einem Stahlrohr Kiefer und Nase gebrochen. Trotzdem tut es mir natürlich leid, wenn sich einige der Demonstranten Blasenentzündungen zugezogen haben, weil sie zu lange auf dem Asphalt saßen.«
    Kunstpause. Sommersted lächelte mitfühlend in die Kamera. »Die Kopenhagener Polizei trägt die Verantwortung dafür, dass die Staatschefs dieser Welt ungehindert und in Sicherheit im Bella Center konferieren können. Des Weiteren haben wir die Verantwortung dafür, dass so wenig Demonstranten wie nur möglich verletzt werden – auch wenn sie uns mit Pflastersteinen oder gefährlicheren Waffen angreifen. Aber wir müssen die Sicherheitsprioritäten in dieser Reihenfolge setzen. Haben Sie noch weitere Fragen?«
    Das leise Murmeln zeigte, dass er die Journalisten in die Knie gezwungen hatte. Kein anderer verstand sich so gut auf den Umgang mit der Presse wie Sommersted. Als die letzten Fragen verstummt waren, drängte Niels sich durch die Menge.
    »Sommersted?«
    Der Polizeichef sah Niels überrascht an.
    »Bentzon? Das war gute Arbeit mit Abdul Hadi.«
    »Danke.«
    »Wollten Sie nicht Urlaub machen?«
    »Ich weiß, dass Sie es eilig haben, und ich werde mich kurzfassen.«
    Niels zog Hannah näher zu sich. »Das ist Hannah Lund, sie forscht am Niels-Bohr-Institut.«
    Sommersted warf Hannah einen kurzen, verwirrten Blick zu. »Niels Bohr?«
    »Früher eigentlich«, konnte Hannah korrigieren, bevor Niels fortfuhr:
    »Es geht um diese internationale Mordserie an den guten Menschen. Erinnern Sie sich? Es hat sich gezeigt, dass die Morde nach einem komplexen Muster ausgeführt werden, das allem Anschein nach in Zusammenhang mit einem alten religiösen Mythos steht.« Niels hörte selbst, wie seltsam das alles klang, und kam ins Stocken. Eine Gruppe Chinesen in Anzügen schob sich an ihnen vorbei. Niels fuhr fort:
    »Vielleicht können wir an einem anderen Ort miteinander reden? Es dauert nur eine Minute.«
    Sommersted sah sich um und brauchte fünfzehn Sekunden, um das Angebot für sechzig Sekunden abzuwägen. »Reden Sie.«
    »Danke. Hannah?«
    Sie räusperte sich und verwendete ihre ersten fünf Sekunden darauf, Sommersted in die Augen zu schauen.
    »Ja, zuerst dachten wir, dass immer dreitausend Kilometer zwischen den Morden liegen. Aber der Zusammenhang ist viel komplizierter. Das System. Sehen Sie: Zuerst passten die Zahlen nicht. Doch dann habe ich das Wasser entfernt, also die Ozeane, und die Landmassen zusammengefügt. Sie müssen sich einen Erdball vorstellen, bei dem die gesamte Festlandsfläche …«
    »Rings um den Südpol liegt«, warf Niels ein.
    »Südpol?«
    »Genau. Vor etwa einer Milliarde Jahren hingen die Kontinente auf diese Weise zusammen. Man spricht auch von dem Superkontinent Rodinia. Das ist in dreißig Sekunden nicht so leicht zu erklären, aber wenn man die vierunddreißig Tatorte auf dem 12., 24., 36. und 48. Breitengrad verteilt, dann …« Hannah warf Niels einen Blick zu, bevor sie