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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Wutausbruch, in dessen Folge er auf Knien Gott anfleht, ihm zu verzeihen. Im Lauf des weiteren Abends erklärt er dann aber, nicht gläubig zu sein. Die frühe Nacht verläuft vergleichsweise ruhig.
    Medizin: Keine frühere medikamentöse Behandlung.
    23. Dezember 1943
    Spricht von Stimmen, die ihn wach halten:
    Patient gibt an, in der Nacht bislang nicht geschlafen zu haben, da eine innere Stimme ihn wachgehalten habe. Patient möchte nicht sagen, wem die innere Stimme gehört oder was sie gesagt hat. Tagsüber ist er ruhig. Man sieht ihn in seinem Zimmer kniend Verse rezitieren. Auf die Frage, was das für Verse sind, gibt er keine Antwort. Wirkt bedrohlich, beruhigt sich aber nach einem Gespräch mit einem Psychiater. Das Gespräch endet damit, dass der Patient erneut feststellt, nicht an Gott zu glauben, es aber für angemessen hält, ›hin und wieder zu beten‹. Auch im weiteren Verlauf der Nacht klagt er über Schlaflosigkeit und Schmerzen.
    Medizin: Morphin-Scopolamin ¾ ml.
    Therapie: Keine. Bem.: Gespräch mit Levin anberaumt.
    Oberarzt G. O. Berthelsen hinzugerufen.
    24. Dezember 1943
    Patient hatte unruhige Nacht. Hat nicht geschlafen, einen Pfleger bedroht und wiederholte Male gerufen, dass er verspricht »zuzuhören«. Am Morgen erneuter Wutanfall. »Ich laufe Amok«, ruft er. Auffällig ist dabei, dass der Patient bei diesen Anfällen – wie auch bei seinen früheren aggressiven Schüben – die Wut gegen sich selbst richtet. Er ist zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für seine Umwelt. Stattdessen fügt er sich selbst Schläge, Bisse und Kratzwunden in einem ›nicht zu vernachlässigenden‹ Umfang zu. »Raus aus meinem Kopf!«, ruft er mehrfach, es bleibt aber unklar, wer da raus soll. Die selbstdestruktiven Tendenzen des Patienten sind so ausgeprägt, dass von hoher Suizidgefahr ausgegangen werden muss.
    Die Familie hat auf der Station mehrere Aufsatzhefte abgeliefert, in denen der Patient in den Tagen vor seiner Einweisung auf eine seltsame Frage-und-Antwort-Weise Korrespondenz mit Gott geführt hat. In der üblichen Schrift des Patienten sind dort Fragen an Gott aufgeführt, die Gott mit großer, kindlich verschnörkelter Schrift, die im Wesentlichen einer vergrößerten Schrift des Patienten ähnelt, beantwortet hat. Manchmal ist die Schrift Gottes so fein, dass seine Antworten unleserlich sind, auch für den Patienten, der in seinen folgenden Zeilen um deutlichere Antworten bittet. Manchmal sind Gottes Antworten auch nicht mehr als ein bloßes Gekritzel. Der Inhalt ist stereotyp, naiv und fantasielos, geprägt von Unterwürfigkeit und zurückhaltenden Anweisungen für die sogenannte Mission des Patienten. Ferner hat der Patient ein paar hochtrabende Dokumente für die Weltbevölkerung verfasst. In einer norwegischen Zeitung hat er eine Reihe von Artikeln angestrichen.
    Behandlung: Patient wird für die neue Elektrokonvulsionstherapie empfohlen.
    Bem.: Trotz umfassender Behandlung mit Elektrotherapie gelingt es nicht, den Patienten von seinen selbstdestruktiven Handlungen abzubringen, weshalb Fixierung verordnet wird.
    24. Dezember 1943
    Zum ersten Mal seit seiner Einweisung willigt der Patient ein, seine Ehefrau, Amalie Hjort Worning, zu treffen. Frau Worning, die von der Situation stark mitgenommen ist, versucht ihren Mann zu beruhigen. Sie verbringen den Vormittag allein auf seinem Zimmer. Als sie gegen Mittag geht, sagt sie einer Schwester, dass ihr Mann ruhig wirkt, aber wirr redet. Er verlangt von ihr, ihm sein Funkgerät zu bringen.
    Röntgen: Termin wird vereinbart.
    Überwachtes Gespräch mit Stenograf und Oberarzt, Psych. O. W. Levin.

14.
    14.
    03.45 Uhr – 12 Stunden, 7 Minuten bis Sonnenuntergang Niels blätterte weiter. Abschriften von Gesprächen mit dem Patienten. Ein Stempel in der Ecke links oben: genehmigt für didaktische Zwecke. Niels las: Levin: Herr Worning. Der Stenograf hier an meiner Seite wird unser Gespräch protokollieren. Es spart mir sehr viel Zeit, wenn ich nach meinen Treffen mit den Patienten nicht selbst alles aufzeichnen muss. Diese Hilfsmaßnahme ist also ausschließlich für mich. Verstehen Sie?
    Worning: Tun Sie, was Sie wollen.
    Levin: Für die Unterlagen brauche ich ein paar Angaben zu Ihrer Person. Wo sind Sie geboren?
    Worning: In Aarhus.
    Levin: Stimmt das? 1897? … Herr Worning. Es ist besser, wenn Sie mit Worten antworten, sonst kann unser Stenograf nicht …
    Worning: JA!
    Levin: Könnten Sie mir etwas über Ihren familiären Hintergrund berichten?

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