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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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dato unbekannte Entzündung. Evtl. Test auf Metallallergie in der Hautklinik Finsen. Der Rücken nässt nicht, aber die Haut ist rot und erhaben. Auf der Haut hat sich ein charakteristisch gemustertes Mal gebildet. Die Aggressivität des Patienten nimmt zu. Er redet wirr und hat blutigen Auswurf.
    Persönliche Daten: Funker. Verheiratet mit seiner jetzigen Frau (33). Einzimmerwohnung in der Rahbæks Allé.
    Tabak und Alkohol: sehr in Maßen.
    Übriger Befund: Unauffällig, abgesehen von leichter Gicht im Schulterbereich. Wird als unwesentlich eingestuft.
    23. 12. 43
    Psych. Befund: Zustand ist vermutlich auf mentale Unausgeglichenheit zurückzuführen. Patient wird am Morgen des 23. Dezember an die psychiatrische Abteilung des Rigshospital überstellt.
    Gez. Oberarzt W. F. Pitzelberger.
    Niels las die Patientenakte mehrmals, bevor er sie in die Tasche steckte. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, sicher aber mehr als diese wenigen Sätze. Er ging zurück zum Hauptgang, versuchte, die Enttäuschung zu verscheuchen und sich davon zu überzeugen, dass dies nur ein notwendiger Zwischenschritt gewesen war. Erst in der Psychiatrie würde er die wichtigen Antworten finden. Die Antworten auf … Auf welche Frage? Hatte Hannah ihm nicht gerade zu erklären versucht, dass die Wissenschaft schon längst erkannt hatte, dass ihre Unwissenheit geradezu monumental war? Und dass jeder wissenschaftliche Landgewinn nur wieder ein weiteres, noch größeres unbekanntes Land offenbarte? Endlich kam Niels die wesentliche Frage in den Sinn: Wie hatte Worning überlebt?
    ***
    Wie jeder Polizeibeamte von Kopenhagen kannte Niels die Psychiatrie des Rigshospitals, die schräg gegenüber der eigentlichen Klinik lag. Hier wurden all jene hingebracht, die zu verrückt für das Gefängnis waren, und viele von ihnen kamen immer wieder. Viel zu viele. Die wegrationalisierten Plätze in der Psychiatrie waren oft Thema im Präsidium. Wenn die Politiker wüssten, wie oft die Psychiatriepatienten, deren Behandlung aus Kostengründen ausgesetzt wurde, die Kriminalstatistiken füllten, würden sie vermutlich anders denken.
    Niels verließ das Archiv und ließ die Tür offen stehen.
    Stimmen näherten sich. Dieses Mal kamen sie vom Aufzug. Natürlich, irgendwann mussten sie ja nach ihm suchen.
    »Er ist da drüben!«
    Jemand rief ihm nach. Niels bog um eine Ecke, kam auf einen weiteren Flur, bog um die nächste Ecke und landete auf einem schmalen, fast ganz dunklen Gang. Wurde er noch verfolgt? Er blieb stehen und lauschte.
    Jemand rief: »Heh, Kamerad, Patienten haben hier unten nichts verloren.«
    Niels lief weiter. Ein neuerlicher Kellerflur. Beinahe wäre er gestolpert, doch mit letzter Kraft gelang es ihm, sich auf den Beinen zu halten und weiterzuhinken. Es waren mehr als zwei Leute, die ihm in den Keller gefolgt waren, das hörte er jetzt deutlich. Er drehte sich nicht um, wollte keine unnötige Kraft vergeuden. Aber bald würden sie ihn eingeholt haben.
    Als Niels um die nächste Ecke bog, wäre er fast in die Fahrstuhltür hineingerannt. Er musste im Kreis gelaufen sein.
    Starke Arme packten ihn. Niels sah aber nur einen Kittel. Einen Augenblick lang hatte Niels das Gefühl, der Mann würde ihm das Handgelenk brechen. Jetzt waren auch die anderen hinzugekommen.
    »Wir müssen wieder ins Bett, Kamerad.«
    Als der Pfleger versuchte, Niels mit sich zu zerren, nutzte er seine Wut und mobilisierte seine letzten Kräfte. Er drehte sich um und rammte sein Knie in den Schritt des Mannes. Fluchend ließ der Pfleger ihn los. Nur einen Augenblick, aber lange genug, dass Niels ihn beiseitestoßen konnte. Der Pfleger ging rücklings zu Boden.

13.
    13.
    02.30 Uhr – 13 Stunden, 22 Minuten bis Sonnenuntergang
    Die Kälte war boshaft und unerbittlich, und sie verfolgte Niels auf Schritt und Tritt, als er auf Strümpfen schräg über den Parkplatz durch den Schnee in Richtung Psychiatrie lief. Zuletzt zog er die Strümpfe aus, sie waren doch zu nichts gut. Ein Taxifahrer, der gerade aus seinem Wagen stieg, sah ihm verwundert nach. Niels wusste, was er dachte: Na, wenigstens läuft der Bekloppte in Richtung Irrenanstalt. Niels blieb einen Augenblick stehen. Er hätte sich in das Taxi setzen können, nach Hause fahren, in der Wohnung Geld holen, den Fahrer bezahlen, seinen Pass suchen und dann …
    Die psychiatrische Ambulanz war rund um die Uhr geöffnet. Plötzliche Angstattacken, Ausraster, Depressionen, Paranoia oder Selbstmordgedanken kannten keine

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