Die Ausgelieferten
appellieren. Beispiel:
An Seine Majestät den König, Stockholm.
Unterzeichneter erlaubt sich, an Eure Majestät untertänigst zu appellieren, auf dass uralter schwedischer Rechtsbrauch sich durchsetze und die für Schweden entehrende Auslieferung der hier internierten Soldaten verhindert werde.
Untertänigst
Unterschrift
Obenstehendes sind nur Vorschläge, die jeder nach eigenem Gutdünken umformulieren kann. Bitten Sie soviele ihrer Freunde und Bekannten wie nur irgend möglich, ähnliche Telegramme abzuschicken. Wenn dies unmittelbar nach Erhalt dieses Rundschreibens geschieht, besteht begründete Hoffnung, dass die Auslieferung verhindert wird. Diese kann nach uns vorliegenden zuverlässigen Informationen frühestens am Donnerstag dieser Woche vonstatten gehen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
REICHSVEREINIGUNG SCHWEDEN-DEUTSCHLAND
gez. Gunnar Berg
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
In dem Schreiben werden die Balten nirgends ausdrücklich erwähnt: die Formulierung »hier internierte Soldaten« schließt also auch die Deutschen ein.
Pastor Viktor Södergran hielt in der St.-Pauli-Kirche zu Göteborg eine Predigt. Zunächst verlas er den Text des Tages und erklärte dann, dass er sich außerstande sehe, darüber zu sprechen. Er wolle statt dessen von den Balten und den Deutschen sprechen, von den »unschuldigen Balten und Deutschen, die von den Schweden gequält« würden.
– Unser ganzes Land, sagte der Pfarrer, riecht nach unschuldigem Blut, und unsere Fahne ist auf ewig befleckt. Unsere Reichstagsabgeordneten und unsere Regierung werden von Gott ihre gerechte Strafe erhalten. Die strafende Hand des Herrn wird sich im übrigen über unser ganzes Volk legen.
Die Predigt erregte großes Aufsehen und wurde in einer Reihe von Zeitungen zitiert.
Es war vielen klar, dass die Debatte schon nach kurzer Zeit zu überhitzt war, um noch zweckdienlich sein zu können. Die irgendwo im Hintergrund liegenden Tatsachen wurden durch Vordergründiges immer mehr verdeckt, die Anklagen immer wirklichkeitsfremder. Niemand wusste über die Balten genau Bescheid, und nach ein paar Tagen hatte es den Anschein, als wären die meisten Balten nichts weiter als unglückliche Zivilisten, die aus Versehen als Militärs registriert worden waren, weil ihre Regenmäntel einen zu militärischen Schnitt gehabt hatten. Die Mehrzahl der Balten hielt man entweder für Widerständler, KZ-Häftlinge oder unglückliche Schuljungen, die aus reiner Abenteuerlust über die Ostsee nach Schweden gekommen waren.
Und auf der anderen Seite: wer gegen die Auslieferung protestierte, wurde allzu oft beschuldigt, ein Nazi zu sein, ein Reaktionär oder ahnungsloser Deutschenfreund, der humanitäre Argumente zynisch ausnutzte, um selbst wieder Fuß fassen zu können. Die Protestierenden selbst sahen mit einer gewissen Unlust, wie die Protestbewegung ihnen langsam zu entgleiten drohte. Ihre Reden leiteten sie manchmal mit Worten des Bedauerns über diese Entwicklung ein. »In die Meinungsäußerungen des Tages mischen sich oft schnarrende Stimmen, unsere landeseigenen Nazis versuchen, ihr eigenes Süppchen zu kochen.« In den Demonstrationszügen sah man viele bekannte nazistische Gesichter; diese Menschen witterten Morgenluft. »Backamo und Ränneslätt und wie sie alle hießen, diese schwedischen Gegenstücke zu Buchenwald und Belsen, wir werden sie nicht vergessen. Es ist uns gelungen, einige hundert Internierte freizubekommen, die damit gerettet waren. Es war notwendig, sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Es musste alles so organisiert werden, dass die Neuschwedische Bewegung als solche nicht direkt ins Rampenlicht kam.« Per Engdal – 1968. Er und der Antifaschist Ture Nerman standen zum erstenmal durch einen paradoxen Zufall auf derselben Seite.
In Uppsala wurden Protestlisten der Studentenvereinigungen ausgelegt; niemand weiß, wer sie formulierte oder auslegte. Am 26. November wurde auf der Universitätstreppe eine Protestversammlung abgehalten, der ein Demonstrationszug durch die Stadt vorausgegangen war, an dem sich mehrere tausend Menschen beteiligt hatten. Redner war Hans Forssman.
Forssman war Dozent und einer von denen, die Anwürfe, sie seien Nazis, nicht zu befürchten brauchten, da er in den dreißiger Jahren und während des gesamten Krieges antinazistisch tätig gewesen war und zusammen mit Torgny Segerstedt seit Januar 1942 in der Geschäftsleitung der Göteborgs Handels- och Sjöfartstidning gesessen hatte.
Seine Rede war
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