Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ausgelieferten

Die Ausgelieferten

Titel: Die Ausgelieferten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
was als Zeichen von Unzuverlässigkeit gedeutet werden könnte.
    Minister Mossberg fuhr mit einer kurzen Darlegung der Behandlung der Internierten nach dem Hungerstreik fort. 162 Balten lägen jetzt im Krankenhaus, 100 befänden sich immer noch im Hungerstreik, nur 12 seien transportfähig. 578 Deutsche seien noch da, davon befänden sich 79 im Hungerstreik. An diesem Tag, dem 8. Dezember, habe man errechnet, dass 491 transportfähig seien. Sämtliche Internierten würden jetzt in größere Unterkünfte für etwa 200 Personen verlegt.
    Rickard Sandler, der ehemalige sozialdemokratische Außenminister, verlangte anschließend das Wort.
    »Der Schaden ist schon gesehen«, stellte er fest. »Man hätte von Anfang an die Balten von der Auslieferung ausnehmen sollen. Es liegt auf der Hand, dass wir die Frage nicht mit der Aufmerksamkeit behandelt haben, die sie verdient. Wie man jetzt auch vorgeht, wird man Schaden anrichten. Ich habe bei der Interpellationsdebatte vom 23. November zum ersten Mal von der Antwort der Regierung vom 16. Juni erfahren. Jetzt lässt sich durch Verhandlungen oder Erklärungen von sowjetischer Seite nichts gewinnen. Die Frage ist: lässt sich die Angelegenheit aufschieben? Man könnte beispielsweise darauf verweisen, dass gesundheitliche Gründe den Abtransport der Balten verhindern. Aber würde das dann nicht auch für die Deutschen gelten? Man kann auch fragen: ist etwas Neues hinzugekommen? Meiner Ansicht nach ist allein dies hinzugekommen: dass die schwedische Öffentlichkeit gezeigt hat, dass sie die Balten anders sieht als die Deutschen. Wir sollten erklären, dass die öffentliche Meinung in Schweden jetzt so aussieht, dass es für unser Verhältnis zu Russland größeren Schaden anrichten würde, wenn wir die Balten ausliefern.«
    Ivar Anderson, der ebenfalls bei der ersten Behandlung der Frage durch den Auswärtigen Ausschuss anwesend gewesen war, erinnerte an das, was zuvor geschehen war. Dann fuhr er fort:
    »Jetzt kommt es für uns darauf an, diese Sache nicht nur als eine Frage politischer Eignung zu betrachten, sondern sie in erster Linie als eine Frage von Recht und Humanität zu sehen. Hier steht mehr auf dem Spiel als unser gutes Verhältnis zu Russland. Wir sind der ganzen Welt gegenüber verantwortlich. In völkerrechtlicher Hinsicht ist die Sache klar, und auch die politischen Voraussetzungen haben sich verändert. Jetzt zeigt sich deutlicher als im Juni, dass die Balten als politische Flüchtlinge angesehen werden sollten. Ich bin zu der entschiedenen Auffassung gelangt, dass wir die Balten nicht ausliefern sollten, und trete mit Nachdruck dafür ein, dass der Abtransport nicht zustande kommt.«
    Danach sprach sich Gränebo für einen Aufschub aus und wurde dabei von Gösta Bagge unterstützt. Dieser meinte, die politischen Voraussetzungen hätten sich wohl dennoch nicht verändert.
    »Das einzig Richtige ist, die Entscheidung zu verschieben, ohne dass wir uns vorzeitig an die Sowjetunion wenden. Es kann vieles geschehen. Es kommt darauf an, Zeit zu gewinnen.«
    Elon Andersson wollte auch befürworten, »dass man das Hiersein der Balten nach Möglichkeit verlängert und sie als politische Flüchtlinge betrachtet«. Man solle auch ihr Vorgehen einer neuen Untersuchung unterziehen.
    Dann verlangte Per Albin Hansson das Wort.
    »Es ist falsch zu sagen, der Schaden sei schon geschehen. Hingegen: wenn wir jetzt unsere Übereinkunft brechen, gibt es einen ernsten Schaden. Die Regierung steht dann da, als könnten wir der Volksmeinung nicht Herr werden. Was würde denn geschehen, wenn die Spannung zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion sich verschärft? Man würde in der Sowjetunion dann meinen, man könne sich auf Schweden nicht verlassen oder auf eine schwedische Regierung, die nicht in der Lage ist, der Volksmeinung Herr zu werden. Unser Verhältnis zu Russland würde sich außerordentlich verschlechtern, wenn der Beschluss nicht verwirklicht wird. Vergesst bitte nicht, dass es auch eine andere Einstellung gibt als diejenige für die Balten. Die Gewerkschaftsbewegung wendet sich ganz entschieden gegen die Versuche, die Regierung von ihrem Standpunkt abzubringen. Unter den Balten befinden sich auch Männer, die der SS und der SA angehört haben. Nachgiebigkeit von seiten der Regierung kann möglicherweise eine starke Reaktion aus bestimmten Kreisen auslösen und damit der Stellung der Regierung schaden. Dann muss man sich eine andere Regierung suchen, welche für die

Weitere Kostenlose Bücher