Die Ausgelieferten
erklärte die Sitzung für geschlossen.«
Am Nachmittag des 8. Dezember, nach der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, erschien Per Albin Hansson im Kanzleihaus. Er war sehr ernst, machte auf die Anwesenden einen rastlosen und ungeduldigen Eindruck, schien aber zugleich erleichtert zu sein.
Den Anwesenden sagte er:
– Heute hat der Auswärtige Ausschuss getagt. Wir haben die Auslieferung der Balten zum letztenmal erörtert. Jetzt ist die Sache entschieden, jetzt gibt es nichts mehr zu diskutieren. Es war eine recht verworrene Debatte, es ging immer hin und her, es fand sich aber nur einer, der die Rücknahme des Beschlusses verlangte. Jetzt ist alles klar.
Anschließend fuhr er direkt nach Hause.
Die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses vom 8. Dezember setzte den Schlussstrich unter eine Phase der Baltenfrage. Jetzt war die Sache politisch entschieden, für immer; jetzt blieb nur noch die Ausführung des Beschlusses. Die Auslieferung war vom 20. November bis zum 8. Dezember in politischer Hinsicht eine offene Frage gewesen, genau neunzehn Tage lang. In dieser Zeit hatte der Sturm jenes politische Problem geschaffen, das man die Auslieferung der Balten nennen sollte, aber der Sturm hatte die Frage in politischer Hinsicht auch in eine Sackgasse getrieben. Jetzt war alles vorbei. Es hatte neunzehn Tage gedauert.
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L angsam, sehr langsam schmolz die Gruppe der Balten zusammen.
Einer wurde im Oktober freigelassen. Er hatte einen Vater, der in Schweden lebte und über großen Einfluss und ausgezeichnete Verbindungen verfügte. Die Freilassung seines Sohns bereitete keine Schwierigkeiten, obwohl auch dieser in der deutschen Wehrmacht gedient hatte. Kurz nachdem das Gotland-Kontingent der Balten nach Rinkaby verlegt worden war, rief der Lagerchef ihn zu sich ins Büro, übergab ihm die Entlassungspapiere und gratulierte ihm. Sein Vater, der in Lettland Richter gewesen war, hatte alles für ihn geregelt. Es war Oktober, er hatte nicht das Gefühl, besonders glücklich sein zu sollen, er wusste nichts von dem Auslieferungsbeschluss. Der Sommer war ruhig und schön verlaufen, er hatte sich ausruhen können, und jetzt war er frei.
Einige wurden krank, sie bekamen Tbc. Sie konnten im Land bleiben. Einer wurde erst fünf Stunden vor der Auslieferung entlassen. Man holte ihn aus dem Bus heraus und übergab ihm seine Papiere. Sein Vater war in Riga in einem Hotel Oberkellner gewesen, in dem König Gustav bei einem Staatsbesuch gewohnt hatte. Der Vater hatte irgendeine Medaille bekommen, war später geflohen, hatte an Gustav V. geschrieben, sein Sohn sei in Schweden interniert, und kurz darauf war dieser freigelassen worden: die Geschichte ist in den Umrissen nicht sehr deutlich erkennbar und lässt sich nicht exakt belegen. Zwei Internierte haben sie jedoch – unabhängig voneinander – bestätigt.
Einige kamen auf andere Weise frei.
Davon handelt die Geschichte von Eriks Zilinskis und Edvard Alksnis. Darüber hat der Untersucher einen Brief geschrieben, der hier in einer Zusammenfassung wiedergegeben wird:
Exzellenzen, schrieb er, ich bin jetzt in der Lage, meinen Schlussbericht über die ehemaligen Internierten Eriks Zilinskis und Edvard Alksnis zu schreiben, die beide in England leben. Es geht ihnen gut. Während ich dies schreibe, Ende März 1967, bin ich auf der Heimreise, die See draußen vor dem Bullauge ist aufgewühlt, es ist Nacht und Vollmond; ich befinde mich genau nördlich von der Nordspitze Dänemarks und bin auf dem Weg nach Hause. Der Wind ist stürmisch, es ist Vollmond, ich sehe eine Straße aus hellem Silber, vielleicht ist es auch helles Blei, das mit schwarzem Pech vermischt ist. Es ist ein eigentümlicher Anblick, ich kann nicht schlafen, ich schreibe an Sie. Über dieses merkwürdige Meer sind die beiden Internierten im Herbst 1946 aus Schweden geflohen. Sie leben jetzt beide in England, sie leben gut und lassen Sie grüßen. Es sind viele Jahre vergangen, seit Ihre Wege sich kreuzten, sie haben vergessen, die Erinnerung ist verschwommen oder undeutlich. Es ist Nacht, ich schreibe, weil ich nicht schlafen kann. Mir scheint, als würden Gefühle und Ereignisse an mir vorüberziehen, als sei die Geschichte ein verlassenes Schiff, an dem ich schnell vorbeifahre, ein Wrack ohne Leben, das vom Sturm hin und her geworfen wird, das man nur in einem Augenblick erfassen kann, ohne die Perspektiven in die Vergangenheit und Zukunft erkennen zu können. Hier nun mein Bericht.
Zilinskis floh im September
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