Die Ausgelieferten
verhältnismäßig stark vom Kommunismus infiziert gewesen ist. Aber bereits wenige Tage nach Ankunft der deutschen Truppen wurden Hunderte von Kommunisten von Angehörigen des lettischen Schutzkorps oder von lettischen Polizisten niedergeschossen. Die deutsche Sicherheitspolizei hat sich während dieser Tage mehr oder weniger still verhalten. Heute können solche Methoden nicht mehr hingenommen werden.« Sowjetischen Untersuchungen zufolge wurden während des Krieges 313.000 Zivilisten von den Deutschen auf lettischem Boden hingerichtet. Es ist eine traurige Tatsache – worauf auch die großen Standardwerke über die Ausrottung während des Krieges ständig hinweisen –, dass lettische Kollaborateure, Milizsoldaten und Polizisten bei diesen Aktionen sehr aktiv waren.
Hängt dies in irgendeiner Form mit den von Schweden ausgelieferten Legionären zusammen?
Bei den meisten besteht kein Zusammenhang. Die Angehörigen der Gruppe, die über Bornholm nach Ystad gekommen war, gehörten meist einer anderen Kategorie an: den zwangsweise an die Front Kommandierten. Nur wenige der 1947 Verurteilten gehörten zu dieser »Gruppe Bornholm«. Bei denen, die direkt aus Lettland nach Gotland gekommen waren, mag es etwas anders aussehen. Diese Männer scheinen häufiger vor Gericht gestellt und abgeurteilt worden zu sein.
Einige Beispiele. Die folgenden Angaben stammen aus sowjetischen Archiven. Es kann also sein, dass sie – worauf bereits hingewiesen worden ist – nicht in jedem Fall zutreffen. Sie sind jedoch nicht uninteressant.
Oscars Recis, Leutnant, 1914 geboren, floh im Mai 1945 nach Gotland. Über ihn finden sich folgende Angaben. Im November 1941 meldete er sich freiwillig zum deutschen Sicherheitsdienst in der lettischen Stadt Daugavpils. Dort wurde er mit Karteiarbeiten beschäftigt, die lettische Kommunisten sowie deutschfeindliche lettische Nationalisten betrafen. 1941 kam er nach Livani, wurde dort Leiter einer Polizeiabteilung des SD; bei der späteren Gerichtsverhandlung wurde er auch beschuldigt, an Misshandlungen aktiv teilgenommen zu haben. Im Juni 1944 trat er eine Stellung als stellvertretender Direktor des Zuchthauses von Ventspils an. Bei der Verhandlung wurden einige Zeugen vernommen, die behaupteten, er habe Gefangene persönlich misshandelt, unter anderem mit einem Gummiknüppel.
Vor allem aber machte man ihm zum Vorwurf, dass er während seines Dienstes in Daugavpils bei der Liquidierung von Juden mitgewirkt habe. 1947 wurde er zu achtzehn Jahren Gefängnis verurteilt. 1956, also drei Jahre nach dem Tod Stalins, saß er noch immer in einem Straflager. Aus diesem Jahr findet sich in den Akten eine Notiz: er stellte in diesem Jahr bei einem Appellationsgericht den Antrag auf Begnadigung. Dieses Gnadengesuch wurde abgelehnt, mit der Begründung, dass seine Verbrechen zu schwer seien, um eine Verkürzung der Strafzeit zu erlauben. In denselben Akten wird jedoch angegeben, dass er am 23. Januar 1958 entlassen wurde.
Peteris Ziemelis, Leutnant, 1918 geboren, floh nach Gotland, wurde interniert und von den Schweden ausgeliefert. Über ihn haben die Archive folgendes zu berichten. Im Juli 1941 schloss er sich freiwillig der »lettischen« Sicherheitspolizei an. Er diente in Daugavpils, einer lettischen Stadt östlich von Riga, wo er Chef eines Verhörkommandos wurde. In Daugavpils gab es damals ein jüdisches Ghetto, das erste Lettlands, wohin man viele Juden aus der weiteren Umgebung gebracht hatte. Im November und Dezember 1941 wurde dieses Ghetto vernichtet. Peteris Ziemelis wurde angeklagt, zusammen mit drei anderen, namentlich benannten Männern für die Morde an 33.000 Juden verantwortlich zu sein (davon waren 3960 Kinder). In derselben Verhandlung wurde Ziemelis auch angeklagt, bei dieser Säuberungsaktion bestimmte Grausamkeiten begangen zu haben, ferner soll er jüdische Frauen aus dem Ghetto mit auf sein Zimmer genommen und sie dort sexuell missbraucht haben. Ferner wurde er angeklagt, am 8. und 9. November 1941 zusammen mit zwei Helfern fünfzig Juden eigenhändig umgebracht zu haben. Ziemelis war damals Chef eines Vernichtungskommandos und brauchte Liquidationen nur in Ausnahmefällen selbst vorzunehmen.
Diesen Angaben nach soll er während der ganzen Zeit einem rein lettischen Polizeiverband angehört haben, der natürlich den deutschen Besatzern unterstellt war und von ihnen dirigiert wurde. Im Juli 1944 kam er zum SD. Im Oktober 1944 wurde er als SD-Offizier nach Kurland versetzt und zum
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