Die Ausgelieferten
fing an zu lachen, andere folgten seinem Beispiel. Als sie an Bord des Wachbootes gingen, lachten sie immer noch.
Eichfuss sah die lachenden Männer an, sprang dann vom Poller herunter und steckte die Hände in die Hosentaschen. Kurz darauf begann er zu lächeln. Er lächelte breit und ging an Bord: in Burgsvik, Bestimmungsort Åhus, Schweden, Festland. Es war der 2. Oktober 1945.
Von Burgsvik an der Westküste Gotlands ging es zunächst direkt nach Norden, dann nach Westen, dann nach Süden: das Schiff folgte genau der minenfreien Fahrrinne. Der Himmel war bewölkt, es blies heftig, Windstärke vier nach der Beaufort’schen Skala. Der Wind kam aus nordöstlicher Richtung, einige wurden seekrank. Gegen Abend flaute der Wind ab. Die Nacht wurde sehr schön.
Der deutsche Vertrauensmann ging am Abend zu einem der schwedischen Offiziere und sagte:
– Wir verstehen, warum wir verlegt werden. Die schwedische Armee will uns die Flucht ein wenig erleichtern. Von einer Insel zu fliehen ist schwer, aber vom Festland ist es möglich. Lassen Sie mich die zwar inoffizielle, aber doch tiefempfundene Dankbarkeit der deutschen Soldaten zum Ausdruck bringen.
Am selben Abend stellte Eichfuss vor den jüngeren baltischen Soldaten einen Vorschlag zur Diskussion. Er lief darauf hinaus, dass man die schwedische Besatzung im Handstreich überwältigen und dann Kurs auf England nehmen sollte.
Sie hörten ihm zerstreut, aber amüsiert zu.
– Zuerst hast du geglaubt, sie hätten einen Anschlag auf uns vor, und jetzt siehst du, dass du dich geirrt hast. Du hast also schönen Blödsinn geredet. Jetzt hast du einen Anschlag auf sie vor. Das wäre auch reiner Blödsinn.
Während der Nacht schliefen sie alle gut.
Am nächsten Morgen wurden sie früh wach. Auf beiden Seiten des Schiffes sahen sie Land. Sie fuhren durch den Kalmar-Sund und würden bald da sein. Die Stimmung war aufgeräumt, sie holten Bierflaschen hervor, einige begannen zu singen. Es war ein schöner Morgen, das Wetter war ruhig, über dem Wasser schwebten leichte Nebelschwaden, die Sonne ging auf. Die erste Phase der Zeit in Schweden lag nun hinter ihnen, die Zeit in Havdhem.
Der Sommer war vorbei.
Die letzten Eintragungen im Lagertagebuch. »Die Fahrt durch den Kalmar-Sund sehr schön. Blaue und rote Farben, Nebel, Sonnenaufgang. Stimmung gut. Die Mannschaft sang.«
Die Balten blieben eine Woche in Rinkaby, dann wurden sie nach Ränneslätt gebracht. Die baltischen Legionäre waren jetzt alle versammelt, und das Spiel konnte beginnen.
II RÄNNESLÄTT
Ja, wie gesagt, etwas Merkwürdigeres hatte man kaum je erlebt; auf schwedischem Boden hat kaum ein Schwede etwas Vergleichbares miterlebt.
»Afton-Tidningen« am 30.11.1945
1
G eht man vom Großen Markt in Eksjö direkt nach Norden, vorbei an den alten Stadtvierteln um die Norra Storgatan herum, geht man von der eigentümlich Condottiere-ähnlichen Reiterstatue aus am Vaxblekargården und am Friedhof vorbei nach Norden zur Straße nach Stockholm, dann nach links, an den Villen und den alten Holzkästen aus den zwanziger Jahren vorbei nach Nordwesten, kommt man direkt nach Ränneslätt. Es liegt links von der Straße nach Stockholm, war jahrhundertelang Übungsplatz für das Småländer Husarenregiment und das Småländer Pionierkorps; die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein, es hat sich kaum etwas verändert. Die Ebene ist weit, vielleicht zwei Kilometer im Durchmesser, sie wird durch Wald begrenzt, im Osten sieht man einen See: Badebrücken, Sprungtürme, kleine Buchten. Die Baracken sehen aus wie überall auf Übungsplätzen in Schweden: die meisten sind geduckt, einstöckig, aber es gibt auch andere, größere, die Lagerhallen enthalten. Quer über die Ebene führt ein Weg, und rechts von ihm stehen noch heute die riesigen roten Baracken, die Lagerhallen, und zwischen ihnen die Holzhäuser, die den Offizieren früher als Unterkunft dienten, heute aber nur noch selten benutzt werden. Die Stadt liegt ganz in der Nähe, bis zur Stadtmitte sind es anderthalb Kilometer; dies ist Ränneslätt, ein Teil der Stadt.
Die erste Gruppe der Balten kam am Abend des 31. Mai dorthin, von Bökeberg. Man steckte sie zu den deutschen Insassen, die sich bereits im Lager befanden. Das Lager sah damals fast genauso aus wie heute, der Wald war noch nicht so hoch, die Zahl der Baracken größer, aber sonst war alles wie heute. Die Balten, hundertsechsundzwanzig Mann, waren von Lettland über Danzig über Bornholm über
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