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Die Ausgelieferten

Die Ausgelieferten

Titel: Die Ausgelieferten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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Schreibstube im deutschen Teil des Lagers. Es war dunkel, der um das Lager herum gezogene Stacheldraht wie gewöhnlich hell angestrahlt, aber hier, im Zentrum des Lagers, war es schummerig. Es war etwa 20 Uhr. Vor der Schreibstube trafen sie einen Mann namens Deutschbein. Sie stellten sich alle drei an die Außenwand der Baracke und rauchten. Nach einigen Minuten tauchten aus der Dunkelheit plötzlich zehn Mann auf, die auf sie zukamen. Sie hatten sich in einem nahen Gebüsch versteckt und gingen jetzt langsam auf die drei Männer zu; sie hatten Stöcke in der Hand, umringten die drei Soldaten, und danach ging alles sehr schnell.
    Einer der Angreifer hatte eine eiserne Zeltstange in der Hand; sie wurde nach dem Zwischenfall aufgefunden, und zwar in der Nähe der Baracke. Der Mann mit der Eisenstange eröffnete die Schlägerei, indem er Auler auf den Schädel schlug, worauf dieser bewusstlos zu Boden fiel. Der Mann mit der Eisenstange schlug weiter auf Auler ein, während die anderen sich auf Schöppner konzentrierten. Dieser fiel hin, verlor aber nicht sofort das Bewusstsein, sondern versuchte, kriechend den Eingang zur Schreibstube zu erreichen. Die Männer prügelten unterdessen ständig auf ihn ein, aber da sie zumeist auf den Körper schlugen, verlor er nicht das Bewusstsein, sondern erreichte schließlich die Eingangstür zur Schreibstube. Er rief immerzu um Hilfe, und endlich kamen auch ein paar Männer hinzu, die sich von allen Seiten vorsichtig genähert hatten. Die Angreifer setzten die Misshandlung fort, verschwanden aber nach etwa drei bis vier Minuten in der Dunkelheit.
    Deutschbein hatte die ganze Zeit danebengestanden und zugesehen. Einige Männer hatten von der Baracke aus die Schlussphase der Prügelei mit angesehen, aber später war keiner von ihnen imstande, die Angreifer zu identifizieren. Alternative Formulierungen: »Es war zu schummerig vor der Baracke.« »Ich habe mich sofort aus dem Staub gemacht, um nicht hineinzugeraten.« »Ich konnte nicht sehen, wer die Schläge austeilte, da die Angreifer verdeckt waren.«
    Die später entdeckte eiserne Zeltstange wurde gemessen: sie war siebzig Zentimeter lang und hatte einen Durchmesser von fünf Zentimetern. Der deutsche Lagerarzt wurde herbeigerufen; er weigerte sich jedoch, sich eines Angehörigen der »demokratischen Gruppe« anzunehmen. Darauf wurde der lettische Arzt Janis Slaidins geholt, der sofort angelaufen kam, um die Misshandelten zu verbinden.
    Auler und Schöppner wurden in die Baracke gebracht; danach benachrichtigte man die schwedische Lagerleitung.
    Maßnahmen von seiten der schwedischen Lagerleitung. Es wurde nicht ernsthaft versucht, die Täter zu finden. Am Tag danach, beim Appell auf dem Platz vor den Baracken, mussten jene elf Mann vortreten, die nach Ansicht der deutschen Lagerleitung »die demokratische« oder, einer anderen Terminologie zufolge, »die oppositionelle Gruppe« darstellten. Sie wurden – einschließlich der beiden Verletzten – sofort arretiert. Gründe für die Festnahme:
»Sie sind von den anderen Internierten als Unruhestifter gemeldet worden.«
»Ich will nicht das Risiko eingehen, dass es zu einem zweiten Zwischenfall kommt.«
    Die Festnahme der elf Angehörigen der demokratischen Gruppe spielte sich in einer recht außergewöhnlichen Form und unter dem Hohngelächter der anderen ab. Unter den Nazis im deutschen Lager befanden sich auch Angehörige der nazistischen Kampfgruppe »Die Greife«, von denen allgemein angenommen wurde, sie wären für die wohlverdienten Prügel der »Demokraten« verantwortlich. Die Eliminierung der demokratischen Gruppe wurde von den übrigen Deutschen mit Befriedigung begrüßt. Der unerlaubten und provokatorischen Propaganda der Gruppe war nun ein Riegel vorgeschoben worden; die Atmosphäre im Lager wurde danach für wesentlich ruhiger gehalten.
    Die schwedischen Behörden beschlossen, gegen die elf Mann der demokratischen Gruppe Anklage zu erheben. Datum: 19. Oktober. Über die Anklagepunkte. Der schwedische (Kriegsgerichts-)Staatsanwalt klagte die Männer wegen folgender Delikte an: Hein wegen illegaler Tätigkeit, Befehlsverweigerung und politischer Propaganda, Zeun wegen undisziplinierten Auftretens, Drohungen gegen Offiziere und politischer Propaganda, Kreidel wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber Offizieren sowie wegen politischer Propaganda, Kauertz wegen ungebührlichen Verhaltens, unerlaubter Kontaktaufnahme mit einem schwedischen Wachposten, Drohungen gegen

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