Die Ausgesetzten
Markerjungen. Einer
der beiden stützte sich auf den Ellenbogen und sah zu dem Mann hinüber. Dann sprach er ihn an.
Natürlich konnte Jonas nichts verstehen, doch er hatte das Gefühl, an der Miene des Jungen, der abgehackten Art, wie er den
Mund auf- und zumachte, erkennen zu können, um was es ging. Er musste etwas Ähnliches gesagt haben wie
Ihr da. Schlaft jetzt. Kein Geschrei mehr.
»O nein«, stöhnte Katherine.
»Was ist?«, murmelte Jonas.
»Der Markerjunge redet mit unserem Mann. Das bedeutet …«
»Dass der Mann wieder mit seinem Marker verschmolzen ist«, beendete Andrea den Satz ziemlich gelassen.
Jonas sah abermals zu den Markern hinüber. Es war noch nie seine Stärke gewesen, gleich nach dem Aufwachen klar zu denken.
Er kniff die Augen zusammen und zählte die Marker immer wieder. Eins. Zwei. Kein Zweifel. Doch es hätten drei Marker in der
Hütte seinmüssen – auch ohne irgendwelche zufälligen Markerinsekten oder andere kleine Markerüberbleibsel mitzuzählen. Vielleicht hatte
er sich verzählt. Eins. Zwei. Zwei Markerjungen.
Kein Markermann.
»Vielleicht hat sich unser Mann im Schlaf umgedreht und, bums, schon war er wieder mit seinem Marker zusammen«, spekulierte
Katherine.
Wie der Rauch und die Flammen, dachte Jonas. Ich wusste, dass Marker so funktionieren.
»Wir müssen sie wieder trennen«, sagte er seufzend. »Und dann muss einer von uns zwischen den beiden schlafen.«
Erschöpft rutschte Jonas näher an den Mann heran und wollte nach seinem Arm greifen. Doch Andrea versperrte ihm den Weg.
»Lass ihn in Ruhe!«, befahl sie.
Noch verwirrter als zuvor blinzelte Jonas. Gerade war es ihm schon schwergefallen, bis zwei zu zählen – und nun sollte er
auch noch Andrea verstehen?
»Denk an unser Experiment, Andrea«, sagte Katherine leise. »An Jonas’ Plan.«
Selbst Jonas fiel es schwer, sich daran zu erinnern.
Ach ja, wir wollen uns nicht mehr ausnutzen lassen. Nicht mehr auf Tricks und Kniffe hereinfallen. Den Mann nicht mehr mit
seinem Marker zusammenbringen … das Gegenteil von dem tun, was andere erwarten.
Andrea lachte ein wenig aufgebracht.
»Ist das nicht komisch?«, fragte sie. »Ihr wollt euch nicht manipulieren lassen, also manipuliert ihr diesenMann? Benutzt ihn als Schachfigur, um selber keine Schachfiguren zu sein?«
Die Bitterkeit in ihren Worten ließ Jonas zusammenzucken.
»So habe ich das nicht gemeint«, murmelte er. Vermutlich wäre es besser, ihr alles noch einmal zu erklären, aber er war so
müde. Es war mitten in der Nacht. Jonas wollte einfach nur den Mann von seinem Marker fortziehen und weiterschlafen.
Er griff noch einmal nach dem Mann, doch dieses Mal schubste Andrea ihn fort.
»Das lass ich nicht zu«, sagte sie. »Ich halte dich davon ab, ganz egal, wie.«
»Das ist kein Spiel, Andrea«, sagte Jonas perplex.
»Du hast recht«, unterbrach sie ihn. »Das ist kein Spiel. Aber du tust, als ob es das wäre. Schach! Stratego!« Wieder schraubte
sich ihre Stimme in die Höhe. »Hier geht es um sein Leben. Seinen kostbarsten Traum, das, worauf er jahrelang hingearbeitet
hat.«
»Wovon redest du?«, fragte Katherine.
»Wir müssen den Mann mit seinem Marker zusammenlassen«, sagte Andrea. »Er muss mich sehen. Ich muss mit ihm reden.«
»Was?«, entfuhr es Jonas. »Aber das könnte die Zeit komplett ruinieren!«
»Ach, die Zeit«, sagte Andrea verächtlich. »Was hat sie je für mich getan? Außer mir meine Eltern wegzunehmen.«
»Andrea«, sagte Katherine. »Du kannst doch die Verantwortung nicht –«
»Doch, das kann ich«, sagte Andrea. »Und das tue ich. Und es ist mir egal.« Sie beugte sich über den bewusstlosen Mann, als
wollte sie ihn wachrütteln.
Jetzt war die Reihe an Jonas, sie zurückzuhalten.
»Ist dein mysteriöser Unbekannter zurückgekommen und hat dir neue Lügen erzählt?«, fragte er. »Führst du dich deshalb so auf?«
»Nein!«, sagte Andrea und setzte sich gegen ihn zur Wehr.
»Was hat sich dann verändert?«, wollte Jonas wissen, ohne sie loszulassen. »Vorhin warst du mit Katherine und mir einer Meinung.
Warum ist es dir so wichtig, dass dieser Mann mit seinem Marker zusammenbleibt?«
Andrea hob den Kopf und reckte das Kinn. Obwohl es fast stockdunkel war, konnte Jonas erkennen, wie wild entschlossen sie
war. Ihre Augen funkelten.
»Weil«, flüsterte sie, »ich jetzt weiß, wer er ist.«
Neunzehn
Jonas ließ Andrea los. Er war zu verblüfft, um irgendetwas anderes zu
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