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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zog.
    Sekundenlang schien es, als könnten sich die Dinge in alle Richtungen entwickeln. Wenn Jonas zu fest zog, würde er das Kanu
     auf seiner Seite umkippen. Wenn die Mädchen sich zu stark in die andere Richtung lehnten,würde es zur entgegengesetzten Seite kentern. Oder es fielen aus heiterem Himmel weitere hundert Jungen ins Kanu und versenkten
     es mit ihrem Gewicht.
    Stattdessen plumpste Jonas ins Boot und landete ausgestreckt auf John White. Das Kanu schwankte, Dare bellte   … und Jonas schloss restlos erschöpft die Augen.
    Das Schwanken ging in Stillstand über.
    »Katherine«, hörte Jonas Andrea leise sagen.
    »Ich übernehme jetzt das Paddeln«, erwiderte Katherine.
    Danach bekam er eine Weile lang kaum etwas mit. Das Kanu schoss davon, doch nun schien es zu gleiten, geschmeidig und ohne
     jede Kraftanstrengung – jedenfalls für Jonas. Er hatte keinerlei Kraft mehr in sich.
    Einmal glaubte er Katherine sagen zu hören: »Also dazu ist der Rechen da«, und dann hatte er das Gefühl, dass etwas Nasses,
     Schleimiges gegen seinen Knöchel stieß. Aber vielleicht hatte er das auch geträumt. Er träumte viel. Zum Beispiel, dass er
     in einem Pfadfinderlager war und es dort vier neue Wassersportlehrer gab, die John, Paul, Ringo und George hießen. Jonas fand,
     sie wirkten irgendwie vertraut.
    Er träumte davon, in der Schule im Kunstunterricht zu sitzen, und ihr Lehrer, Mr Takamawa, erklärte ihnen gerade, dass sie
     für den Rest des Jahres nur noch amerikanische Ureinwohner zeichnen würden.
    Er träumte, er wäre in einem Fischimbiss und es röche nach Rauch und gebratenem Fisch. Doch obwohl er am Verhungern war, schaffte
     er es nicht, aufzuwachen. Dafür rüttelte Katherine ihn an der Schulter und hörteeinfach nicht auf. Sie rüttelte immer weiter und weiter und ihr »Jonas, wach auf! Wach auf, Jonas!« wurde immer lauter.
    Halt! Dieser Traum war kein Traum. Er war Realität.
    Jonas gelang es, die Augen einen Spalt weit zu öffnen.
    »Endlich!«, platzte es aus Katherine heraus. »Wir haben es langsam mit der Angst zu tun bekommen!«
    »Hä?«, murmelte Jonas. Er hatte geschlafen, was war daran beängstigend?
    Mühsam machte er die Augen ein wenig weiter auf. Er lag immer noch im Kanu, doch er hatte es nun ganz für sich allein. Und
     falls Katherine nicht auf magische Weise die Gabe entwickelt hatte, auf dem Wasser zu sitzen, trieb das Kanu nicht mehr dahin,
     sondern befand sich an Land.
    Kraftlos richtete sich Jonas auf den Armen auf und sah, dass sie sich auf einem Sandstrand befanden und man das Kanu vorsichtshalber
     hinter den Flutsaum gezogen hatte.
    »Croatoan?«, murmelte Jonas. »Ist das Croatoan?«
    »Wir sind noch nicht ganz da«, sagte Katherine. »Wir   …« Sie brach ab und biss sich auf die Lippe. Dann versuchte sie es in übertrieben fröhlichem Ton noch einmal: »Wir haben einfach
     unterwegs eine Pause eingelegt.«
    Jonas nickte. Er war zu benommen, um zu ergründen, warum sie sich auf die Lippe gebissen und davon abgehalten hatte, ihm etwas
     zu erzählen. Er kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen, und versuchte an Katherine vorbeizuschauen. In einigen Metern
     Entfernunghockten Andrea und Dare mit John White und den Markerjungen vor einem knisternden Feuer.
    Nein, verbesserte sich Jonas. Sie sind keine Marker mehr, sie sind echt: Die Markerjungen und ihre echten Gegenstücke hatten
     sich wieder vereint.
    Wenn er die Augen ganz schmal machte, konnte Jonas mit knapper Not die Andeutung eines Sarkasmus- T-Shirts und die kürzeren Haare des einen Jungen erkennen, und ein Beatles- T-Shirt und die raspelkurzen Haare des anderen.
    »Brendan und Antonio«, sagte Katherine. »So heißen sie. Jedenfalls im einundzwanzigsten Jahrhundert. Sie haben aber auch indianische
     Namen.«
    »Ich dächte, sie wären keine Indianer«, murmelte Jonas. Wieder äugte er zu den beiden Jungen hinüber. Für Jonas’ Begriffe
     war die Haut des einen für einen Indianer zu dunkel und die des anderen zu hell. Und in beiden Fällen, fand Jonas, hatten
     sie die falschen Haare.
    Andererseits benahmen sich die beiden so, als hätten sie absolut kein Problem damit, mit nichts als einem Lendenschurz herumzulaufen.
    »Keiner der beiden wurde als Indianer geboren«, erklärte Katherine. »Aber ein Indianerstamm hat sie adoptiert.« Sie grinste.
     »Ganz schön paradox, was?«
    Jonas ließ die Lider wieder zufallen. Vielleicht war er doch noch nicht bereit, richtig wach zu werden. Jedenfalls nicht,
    

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