Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
ein, dass das sorgfältig geplante Abendessen meiner Mutter früh beendet werden muss. Ansonsten bleibt mir nicht genug Zeit, zu packen und mich auf das vorzubereiten, was am nächsten Tag auf mich wartet – was auch immer das sein mag.
Als ich nach draußen trete, ist Zandri bereits fort, aber Tomas und Malachi warten auf mich. Einen Moment lang starren wir drei uns an und wissen nicht, was wir sagen sollen. Es überrascht mich gar nicht, dass Tomas als Erster seine Stimme wiederfindet. Mit seinem breiten, atemberaubenden Grinsen schaut er mir in die Augen und sagt: »Ich schätze, wir sollten nach Hause gehen. Es liegt ein großer Tag vor uns.«
Und ich weiß, dass er recht hat. Wieder einmal.
Es ist Zeit, heimzukehren und meiner Familie zu eröffnen, dass ich morgen früh das Haus verlassen und nie mehr wiederkommen werde.
Kapitel 3
Als ich die Vordertür öffne, brandet mir das fröhliche Gelächter meiner Familie entgegen. Ein großes Banner mit Gratulationen zum Schulabschluss begrüßt mich an der gegenüberliegenden Wand. Der ganze Küchentisch steht voller Platten, auf denen sich zur Feier des Tages Brot, Fleisch und Süßigkeiten türmen. Nun also wird diese Feier zugleich auch meine Abschiedsparty werden.
»Da ist sie«, schreit Zeen, als er mich im Eingang stehen sieht. »Ich habe euch doch gesagt, dass sie nicht zu spät auf ihrem eigenen Fest auftauchen wird. Nicht, wenn es Zimtbrote gibt.«
Mein Vater wendet sich mir mit einem Lächeln zu. Doch kaum fällt sein Blick auf die Tasche, die über meiner Schulter hängt, verflüchtigt sich das Strahlen auf seinem Gesicht, und in seinen Augen kann ich lesen, dass er sie wiedererkennt. »Du bist für die Auslese ausgewählt worden.«
Das Lachen im Raum verstummt schlagartig. Überall feierliche Gesichter, als sich alle Blicke auf mich richten, um meine Reaktion nicht zu verpassen. Obwohl ich mich so darüber freue, ausgewählt worden zu sein, wird mir die Kehle eng, als ich nicke. Absolventen der Universität ziehen dorthin, wo das Commonwealth sie hinschickt, nämlich an den Ort, wo ihre Fähigkeiten am meisten gebraucht werden. Wenn ich tatsächlich erfolgreich aus der Auslese hervorgehe, dann besteht nahezu keine Hoffnung darauf, jemals wieder nach Hause zurückzukehren.
Die Zwillinge fangen sich als Erste wieder. Bevor ich weiß, wie mir geschieht, haben die beiden Jungs mich in ihre Mitte genommen, und während sie mich fast zerquetschen, beglückwünschen sie mich lauthals. Dann umarmt mich Hamin. Seine Aufregung ist weniger überschwänglich, aber dennoch genauso echt. Meine Mutter kommt zu mir. Ihre Hände zittern, als sie mich an sich drückt. Doch ihr Lächeln ist voller Stolz, und sie fragt aufgeregt, was ich mitnehmen darf und wann ich aufbrechen muss. Mir bleibt kaum Zeit, ihr zu antworten; ich bemerke gerade noch, wie Zeen aus dem Zimmer schlüpft, da verrät mir ein Klopfen an der Tür, dass meine Freundinnen da sind.
Ich bin so froh, sie alle zu sehen, insbesondere Daileen. Wie glücklich ich bin, dass ich die Chance habe, mich persönlich von allen zu verabschieden. Wieder höre ich begeisterte Rufe, aber ich sehe auch viele Tränen, als ich berichte, dass ich für die Auslese bestimmt worden bin. Ich erzähle ihnen, wer die anderen Kandidaten sind. Daileens Freude – und zugleich ihre Traurigkeit – sind am größten. Sie versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie schwer ihr ums Herz ist, und sie versteckt ihre Wehmut hinter einem breiten Lächeln. Doch im Laufe der Feier bemerke ich, dass sie sich mehr und mehr im Hintergrund hält, sich von mir und von den anderen zurückzieht, die sie schon immer viel mehr für meine Freundinnen gehalten hat als sich selbst. Um sie habe ich Angst. Die Mitglieder meiner Familie werden mich natürlich vermissen, aber sie haben ja immer noch einander. Daileen hat nun niemanden mehr.
Das ist auch der Grund, warum ich mich als Erstes von Lyane Maddows verabschiede, nachdem meine Mutter verkündet hat, dass die Party ein frühes Ende finden muss. Lyane hat sich von der allgemeinen Aufregung nicht anstecken lassen und versucht auch nicht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Stattdessen wartet sie still neben der Tür darauf, dass meine Brüder sie nach Hause begleiten. Lyane und ich sind nicht die besten Freundinnen. Wir sagen uns zwar immer »Hallo«, wenn wir einander begegnen, aber wir sitzen fast nie beim Mittagessen beisammen oder plaudern auch nicht nach der Schule. Lyane und ich sind
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