Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
wolkenlosen Nacht sollen die Sterne wie Diamanten gefunkelt haben. Vielleicht stimmt das. Aber es ist schwer vorstellbar.
Als wir den Gartenbereich fast erreicht haben, betätigt mein Vater einen Schalter an der Rückseite des Hauses. Zuerst ist nur ein Summen zu hören, dann gehen nach und nach Lichter an und erhellen den Hinterhof, sodass die wunderschönen Gänseblümchen, die Rosen und das Gemüse angestrahlt werden. Die Pflanzen gehören meinem Dad und meinen Brüdern, aber die Beleuchtung ist meine. In der Kolonie gibt es strenge Vorschriften, die den Gebrauch von Elektrizität regeln. Die Möglichkeiten zur Erzeugung und Speicherung von Strom sind in unserer Gegend sehr begrenzt. Die meisten Wohnhäuser verwenden gar keinen Strom, es sei denn, sie können ihren eigenen produzieren. Nicht viele machen sich diese Mühe, denn Kerzen und Fackeln erfüllen ihre Aufgaben gut. Vor ein paar Jahren habe ich beschlossen, mich der Herausforderung zu stellen, und habe Dad dazu überredet, mich mit ausrangierten Bewässerungsrohren, übrig gebliebenen Kupferscheiben und Draht herumexperimentieren zu lassen. Ich habe Mom einige Glasgefäße abgeschwatzt, ein wenig von unserem kostbaren Salz und eine ganze Reihe von sonstigem Kleinkram. Dann habe ich mich an die Arbeit gemacht. Das Ergebnis ist ein Netz von fünfzehn Lampen, die alle mithilfe der Energie betrieben werden, die meine Solarstationen im Laufe des Tages speichern. Obwohl ich inzwischen ein weit ausgeklügelteres System entwickeln könnte, besteht Dad darauf, das alte weiter zu benutzen. Dies ist schon der dritte Hinterhof, der davon beleuchtet wird. Kurz frage ich mich, wie lange es wohl noch dauern wird, bis wir wieder umziehen und es anderswo neu aufbauen müssen. Dann fällt mir ein, dass ich, wenn die Zeit dafür gekommen ist, gar nicht dabei sein werde, um zu helfen.
Dad führt mich zu der Eichenbank, die Hamin gebaut und Mom zum Geburtstag geschenkt hat, und setzt sich. Ich nehme neben ihm Platz und warte darauf, dass er etwas sagt.
Grillen zirpen. Der Wind raschelt in den Ästen der Bäume über uns. Irgendwo in den länger werdenden Schatten höre ich das schwache Heulen von Wölfen und die Geräusche anderer Tiere, die nachts auf Jagd gehen.
Nach einer Ewigkeit, wie mir scheint, nimmt Dad meine Hand und hält sie ganz fest. Als er zu sprechen anfängt, muss ich mich ganz nah an ihn anlehnen.
»Es gibt Dinge, von denen ich dir noch nie erzählt habe. Ich hatte gehofft, dass das auch in Zukunft so bleiben könnte, und ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, wenn ich mein Schweigen jetzt breche.«
Ich richte mich auf. »Geht es um Tosu-Stadt?«
Dad hat bislang weder über die Auslese gesprochen noch viel von seiner Zeit an der Universität erzählt, egal wie viele Fragen ich ihm auch gestellt habe. Ich fühle mich ihm plötzlich ganz nah bei dem Wissen, dass ich bald die gleichen Erfahrungen wie er machen werde. Doch schon einen Augenblick später wird diese Stimmung jäh zerstört.
»Du hättest nie ausgewählt werden dürfen.«
Seine Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht. Ich versuche, meine Hand wegzuziehen, aber mein Vater hält sie ganz fest. Seine Augen starren in die Dunkelheit, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht verrät mir, dass er gar nichts wahrnimmt. Da liegt eine Angst in seinen Zügen, die mich sofort vergessen lässt, dass mich seine Worte verletzt haben. Ein angstvoller Knoten scheint in meiner Brust zu wachsen, als sich Dads und meine Blicke begegnen.
»Meine Eltern und ich haben immer davon geträumt, dass ich für die Auslese ausgewählt werden würde. Unsere Familie hatte kaum genug zum Überleben. Die Omaha-Kolonie war eine der größten Kolonien im Commonwealth. Dort lebten einfach zu viele Menschen, und es gab nicht genug Ressourcen und auch nicht ausreichend Nahrung für alle. Jeder von uns hatte irgendjemanden gekannt, der verhungert war. Meine Eltern glaubten daran, dass ich dabei würde helfen können, die Missstände zu beseitigen und das Gleichgewicht der Erde wiederherzustellen. Und ich wollte, dass sie das Geld bekämen, das die Regierung den Familien der Prüflinge zukommen lässt, um den Verlust einer Schülerin oder eines Schülers zu kompensieren. Außerdem muss ich zugeben, dass ein großer Teil von mir meinen Eltern glaubte. Ich war ebenfalls davon überzeugt, dass ich mich als hilfreich erweisen würde. Ich wollte es einfach versuchen.«
Dass die Regierung die Familien der Kandidaten für die Auslese
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