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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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auf andere Weise verbunden, was der Grund dafür ist, dass ich sie heute eingeladen habe. Ich weiß, dass sie es nicht vergessen hat. Und ich hoffe, dass ihre Erinnerung dafür sorgt, dass ich auf sie zählen kann.
    Die anderen Mädchen hinter mir unterhalten sich noch immer laut und aufgeregt, während ich die Arme um Lyane schlinge und sie an mich ziehe. Ihre Schultern verkrampfen sich vor Überraschung, aber sie löst sich nicht aus meiner Umarmung. Ich flüstere ihr ins Ohr: »Daileen braucht eine Freundin, wenn ich morgen aufbreche. Kannst du ein Auge auf sie haben und dafür sorgen, dass sie nicht allein bleibt? Bitte!«
    Lyane drückt mich. Ich kann beinahe körperlich spüren, wie sie sich mein Anliegen durch den Kopf gehen lässt. Als sie mir ihre Antwort zuflüstert, steigen mir vor Erleichterung und Dankbarkeit die Tränen in die Augen. Daileen wird nicht einsam sein.
    Ohne noch einmal zurückzublicken, verlässt Lyane das Haus. Ich drehe mich um und verabschiede mich von den anderen. Daileen ist die Letzte. Ich sehe, wie sehr sie gegen ihre Tränen ankämpft, als sie verspricht, nächstes Jahr nach Tosu-Stadt nachzukommen. »Ich werde härter arbeiten als jemals zuvor. Es wird ihnen gar nichts anderes übrig bleiben, als mich auch für die Auslese auszuwählen.«
    Ich höre Lyanes Stimme, die von draußen hereinruft: »Daileen, kommst du mit mir mit?« Und diese Worte sind es, die verhindern, dass mir das Herz bricht, als ich Daileen hinterherschaue, wie sie davongeht. Lyane weiß, wie dunkel die Welt ist, wenn man zu viel allein ist, und wie sich diese Einsamkeit auf einen Menschen auswirken kann. Vor vier Jahren habe ich ihr dabei geholfen, der Finsternis zu entkommen. Damals habe ich sie an der Grenze der Kolonie gefunden, wo sie über den Rand hinab in die Schlucht starrte und sich anschickte zu springen. Nur dass ich das nicht zuließ. Stattdessen brachte ich sie zum Reden. Über ihren Vater, der bei der Regierung in Tosu-Stadt arbeitete, und ihre Mutter, die das Leben in Five Lakes hasste und ihre Frustration und ihren Zorn an ihrer Tochter ausließ. Soweit ich weiß, hat Lyane niemandem sonst die Narben der Verletzungen gezeigt, die ihre Mutter ihr zugefügt hatte. Mit der Hilfe meines Vaters und der Magistratin konnte Lyanes Mutter zu ihrem Mann nach Tosu-Stadt ziehen, während Lyane von einer anderen Familie in Five Lakes aufgenommen wurde und endlich wieder Gründe hatte zu lächeln. Ich vertraue darauf, dass Lyane auch Daileen dabei helfen wird, ihr Lächeln wiederzufinden.
    Nun, da meine Brüder meine Freundinnen nach Hause begleiten, kommt mir unser Heim viel größer vor. Ich helfe meinen Eltern dabei, das Geschirr abzuräumen und das Wohnzimmer wieder in Ordnung zu bringen. Unser jetziges Haus ist im Vergleich zu den meisten Unterkünften geräumig. Zusätzlich zu dem Wohnbereich in der Mitte haben wir hinten im Haus noch zwei weitere Räume. Auf der rechten Seite liegt das Schlafzimmer meiner Eltern. Meine Brüder und ich sind auf der linken Seite untergebracht, doch Zeen und Hamin schnarchen so laut, dass ich es mir angewöhnt habe, auf einigen Decken vor dem Kamin im Wohnzimmer zu nächtigen. Ich lächele. Nach Tosu-Stadt zu gehen – und dort die Prüfung abzulegen! – bedeutet, dass ich wohl wieder in einem richtigen Bett schlafen werde.
    Während wir aufräumen, sagt mir Mom, was ich mitnehmen soll und wie ich mich in der Stadt zu verhalten habe. Mehr als einmal hält sie mitten in der Arbeit inne, und ihr steigen die Tränen in die Augen bei der Vorstellung, dass ich von ihren Kindern die Erste bin, die das Haus verlässt. In diesen Momenten schweigt mein Vater, aber ich kann ihm ansehen, dass er gerne etwas sagen würde.
    Als alle Teller abgewaschen und weggestellt sind, fragt mein Vater: »Warum gehen wir nicht ein Stück spazieren?« Meine Mutter will protestieren, doch er kommt ihr zuvor: »Ich weiß, dass Cia packen muss, aber bevor die Jungs wieder zurückkommen und hier alles drunter und drüber geht, will ich noch ein paar ruhige Minuten mit meinem kleinen Mädchen verbringen.«
    Meine Mutter schnieft, und mein Herz verkrampft sich, als ich zusammen mit meinem Vater hinaus in die einbrechende Dunkelheit gehe.
    Dad nimmt meine Hand, und gemeinsam laufen wir ums Haus herum zu den dahinterliegenden Gärten. Ein fahler Mond und vernebelte Sterne beginnen sich über uns abzuzeichnen. Man sagt, dass es mal eine Zeit gegeben habe, in der der Himmel klar gewesen sei. In einer

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