Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Hunderten, die ihren Abschluss an der Universität gemacht haben.
»Drogen? Ein akustischer Impuls? Hypnose?« Im Augenblick kommt es mir vollkommen unmöglich vor, mich gegen all diese verschiedenen Möglichkeiten zu wappnen, noch dazu hier draußen.
»Ich wette, sie versuchen es mit Drogen.«
Davon gehe ich ebenfalls aus, vor allem nach meiner Unterhaltung mit dem Mann auf der anderen Seite des Zauns. Kurz gerate ich in Versuchung, Tomas von meinem Gespräch zu erzählen, von dem Fläschchen, das der Mann am Zaun mir gegeben hat, und auch von dem Wahrheitsserum, das die Tester uns angeblich unbemerkt verabreichen werden. Diese Informationen zurückzuhalten kommt mir fast wie ein Verrat vor. Allerdings weiß ich nicht, wie ich es Tomas erklären soll, warum ich das alles bislang vor ihm geheim gehalten habe. Zwar hatte ich gute Gründe dafür, aber ich bin mir nicht sicher, ob Tomas sie auch verstehen würde. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, sind verletzte Gefühle oder gegenseitige Beschuldigungen. Ich werde einen anderen Zeitpunkt abpassen müssen, um ihm davon zu erzählen.
Anstatt ihn also in meine Geheimnisse einzuweihen, frage ich: »Wie können wir gegen eine Droge ankämpfen, die wir nicht kennen und deren Wirkungsweise wir nicht verstehen?«
»Ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich ist. Ich schätze, wir werden abwarten müssen, bis wir wieder im Prüfungszentrum sind, um dann herauszufinden, wie das Komitee es anstellen will. Vielleicht verrät uns irgendein Offizieller etwas, sobald wir die richtigen Fragen stellen. Wenn sie die Droge ins Wasser mischen, dann werden wir einfach so tun müssen, als ob wir davon getrunken haben. Und dann spielen wir ihnen vor, dass wir uns an nichts mehr erinnern können, was seit Beginn der Auslese passiert ist.« Er kommt einen Schritt näher und streichelt meine Wange. »Ich habe hier draußen Dinge gesehen und getan, die ich nicht mein Leben lang mit mir herumtragen will. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich mich nicht mehr an unseren ersten Kuss erinnern könnte.«
Er presst seine Lippen mit einer Leidenschaft auf meine, die mir den Atem raubt. Vielleicht ist es auch nur das Fieber, das mich schaudern lässt, als er meine Wange, meinen Nacken und meine Lippen liebkost, aber das glaube ich kaum. Ich schlinge ihm meine Arme um den Hals und erwidere seine Küsse, und meine Berührungen sind heiß, drängend und hungrig. Eine tiefe Sehnsucht erfüllt mich, als ich versuche, ihm noch näher zu kommen, auch wenn wir schon so eng wie nur möglich aneinandergeschmiegt sind. Doch das reicht mir nicht. Als Tomas sich von mir löst, sind wir beide außer Atem und wollen mehr.
Aber das muss warten. Wir haben uns schon lange genug von unseren Mikrofonen entfernt. Die Prüfer werden misstrauisch werden, wenn für sie das Schweigen noch länger andauert. Tomas drückt mir einen letzten, unglaublich zärtlichen Kuss auf den Mund, dann nimmt er meine Hand, und wir gehen zurück zu unserem Lagerplatz.
Als wir ankommen, tue ich so, als sei ich gerade erst aufgewacht, und erkundige mich nach dem, was geschehen ist, während ich schlief. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht höre ich mir an, wie Tomas ein Märchen über ein Eichhörnchen spinnt, das er zu fangen versucht hat. Ich weiß nicht, ob auch diejenigen, die uns belauschen, diese Geschichte amüsant finden, aber ich habe meinen Spaß dabei.
Wir essen etwas zu Mittag, besteigen unsere Fahrräder und hoffen, noch weitere dreißig Meilen bewältigen zu können, bevor es dunkel wird. Allerdings bin ich mir nicht sicher, dass ich so lange durchhalten werde. Die Wirkung der Tabletten lässt nach, und der sengende Schmerz kehrt in meinen Arm zurück. Falls das Schmerzmittel allerdings doch noch wirkt, muss mein Arm viel schlimmer geworden sein, als ich erwartet hätte. Nach zehn Meilen merke ich, wie mein Körper nicht mehr mitmacht. Tomas versucht, mich zu ermutigen, doch weiter in die Pedale zu treten, und ich gebe mein Bestes. Aber ich werde einfach nicht schneller. Ich schaffe es mühsam, nicht das Gleichgewicht zu verlieren und überhaupt vorwärtszukommen.
Weitere zehn Meilen später ist es Tomas, der anhält und mich auf eine Silhouette hinweist, die er am nördlichen Grenzzaun entdeckt hat. Ich blinzele gegen das Sonnenlicht an und versuche, Einzelheiten zu erkennen, um so herauszufinden, wer das sein könnte. Auf jeden Fall ein anderer Kandidat der Auslese, dem Gang nach zu urteilen
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