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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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sich in den weit aufgerissenen Augen unserer Verfolger, die nicht ein einziges Mal mit den Wimpern zu schlagen scheinen. Noch jemand kommt hinzu. Dann der Nächste. Bald schon ist ein Dutzend von ihnen unmittelbar hinter uns. Sie bewegen sich nie rascher als wir, sondern bleiben mit ihrem seltsam gebückten, aber geschmeidigen Gang hinter uns. Auch halten sie mindestens drei Meter Abstand, aber ihre Klauen und ihre beinahe überwältigende Anzahl sind die ganze Zeit präsent.
    Tomas fällt eher als mir auf, dass sich der Abstand zwischen ihnen und uns allmählich vergrößert. Sie verschwinden zwar nicht wieder in ihren Häusern, lassen sich aber immer weiter zurückfallen und bleiben schließlich stehen. Dutzende von ihnen drängen sich hinter uns, als wir unsere Schritte beschleunigen. Vielleicht war auch das ein Test. Vielleicht waren die Prüfer neugierig, ob wir diese Menschen ohne Grund angreifen, allein aus Angst vor dem Unbekannten, nicht aufgrund irgendeiner echten Bedrohung.
    Sechs, sieben Meter vor uns entdecke ich noch jemanden in einem Eingang. Ein Donnerschlag lässt den Türrahmen erzittern, während uns der Mann anstarrt, ohne zu blinzeln. Ich registriere das Rattern von Gewehrsalven erst in dem Moment, als das Gesicht der Person in der Türöffnung zerschmettert wird.

Kapitel 18
    Starke Arme reißen mich zu Boden. Tomas wirft sich wie ein menschlicher Schutzschild über mich, während die Schüsse nicht abreißen. Vom Asphaltboden aus sehe ich, wie der gesichtslose, blutüberströmte Körper des Mannes zusammenbricht. Dann höre ich Schreie hinter uns. Die einzelnen Wörter kann ich nicht verstehen, und doch höre ich: Empörung. Zorn. Rachedurst. Die Gruppe befindet sich nicht länger Dutzende Meter hinter uns. Sie drängt vorwärts. Schnell.
    Tomas rappelt sich als Erster wieder auf und streckt mir seine Hand entgegen. Ich greife danach, als eine weitere Kugelsalve funkensprühend auf der Fahrbahn aufschlägt. Weitere unserer friedlichen Verfolger fallen auf die Knie. Die Kugeln reißen Glieder auseinander, zerfetzen Oberkörper, zerschmettern Köpfe – sie sorgen für ein unvorstellbares Blutbad. Die mutierten Menschen kreischen, als die Kugeln ihre Kameraden niederstrecken. Hoch oben auf dem dreistöckigen Gebäude sehe ich flüchtig einen blonden Haarschopf, eine große, muskulöse Gestalt und das dunkle Metall eines Maschinengewehrs. In diesem Moment drückt Tomas mir mein Fahrrad in die Hände und schreit, ich solle aufsteigen und zusehen, dass ich hier wegkomme.
    Aber ich kann nicht. Ich weiß, wer der Junge ist, der die Waffe hält. Es ist Brick.
    »Stell das Feuer ein!«, brülle ich und winke mit den Armen, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Die qualvollen Schreie aus den Fensterhöhlen und Eingängen entlang der Straße vermischen sich mit meinen eigenen Rufen. Immer mehr Menschen drängen heraus. Sie kommen jetzt dutzendweise. Und während ich mich vor ihrer Rache fürchten sollte, kann ich nichts anderes tun, als Brick zuzuschreien, er solle endlich zu schießen aufhören, und fassungslos auf die entsetzliche Szene zu starren, für die er verantwortlich ist. Es ist unvorstellbar, dass das blutige Fleisch und Muskelgewebe auf dem Asphalt vor wenigen Augenblicken noch lebendig gewesen ist. Mein Magen rebelliert beim Gestank des Blutes. Neben mir höre ich Tomas würgen und weiß, dass er in nicht viel besserer Verfassung ist. Ich krümme mich zusammen und sehe, dass das Regenwasser, das über die Straße rinnt, rot vor Blut ist. Rot. Genau wie unser Blut. Menschlich. Es waren alles Menschen. Und jetzt sind sie tot.
    Zwischen den Donnerschlägen und dem kehligen Gebrüll dauert es mindestens eine Minute, ehe ich merke, dass Brick etwas zu uns herunterruft. »Ich gebe dir Deckung, Cia. Lauf! Verschwinde, bevor sie euch angreifen. Du musst verschwinden!«
    »Aufhören!«, schreie ich. Tränen und Übelkeit drohen, meine Stimme zu ersticken. Alle diese Leute sind tot. Erschossen von dem Jungen, dem ich zu überleben geholfen habe. »Du tötest Menschen. Sie haben uns nichts getan. Es sind doch einfach nur Menschen.«
    Aber Brick hört mir nicht zu. Er hat wieder das Feuer eröffnet und zielt weiter auf die Wehrlosen auf der Straße, die uns trotz dieser entsetzlichen Provokation noch immer nicht angreifen. Sie wollen nichts anderes, als sich um ihre Toten zu kümmern. Und schon gehören auch sie zu den Gefallenen.
    Tomas packt mich am Arm. Mir rutscht das Fahrrad aus den Händen

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