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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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keinen Halt mehr finden. Unter mir rauscht das dunkle Wasser, als ob es nur darauf wartet, dass mich ein falscher Schritt in seine Tiefen stürzen lässt. Ich bin noch etwa sechs Meter vom sicheren Ufer entfernt, als ich das surrende Geräusch höre, das mir inzwischen schon beinahe vertraut ist und von dem ich weiß, dass es Gefahr bedeutet. Ich habe keine andere Wahl, als loszurennen, denn an mir zischt etwas vorbei, das ich für einen Armbrustbolzen halte. Ein Platschen ist im Wasser unter mir zu hören, dann wird das Geschoss vom Strom verschluckt.
    Ungefähr anderthalb Meter vor der rettenden Böschung verschwindet die Befestigung der Brücke völlig. Wieder erklingt das Vibrieren. Ich habe keine Zeit zum Nachdenken, sondern mache einen Satz über das klaffende Loch hinweg, in der Hoffnung, dass ich sicher auf der anderen Seite landen werde. Doch nur mein Oberkörper schafft es an Land. Der Rest von mir baumelt in der Leere zwischen der Brückenkante und dem Fluss. Das Gewicht meines Körpers und meiner Tasche lässt mich langsam nach unten rutschen. Ich versuche verzweifelt, Halt zu finden, und kralle meine Finger in einen Spalt im Gestein, damit ich nicht immer weiter abgleite.
    Die Muskeln in meinem Oberarm fangen an zu zittern, als ich versuche, mich langsam auf die Brücke zu hieven. Doch auch nach mehreren qualvollen Anläufen habe ich mich kaum einen Zentimeter bewegt, und meine Finger drohen langsam nachzugeben.
    Es gibt nichts mehr, was ich tun kann. In spätestens einer Minute werde ich ins Wasser fallen. Ich mache mich auf den Sturz gefasst und hoffe inständig, dass das Flussufer zugänglich ist, als mit einem Mal jemand meinen rechten Arm packt und meine Finger vom Gestein löst, an das ich mich in letzter Hoffnung klammere. Bei all der Gefahr rings um mich herum sollte ich ruhig bleiben, das weiß ich, aber ich komme nicht dagegen an: Ein Schrei löst sich aus meiner Kehle.

Kapitel 11
    »Es ist alles in Ordnung, Cia. Es ist okay.«
    Es dauert eine Minute, ehe die Stimme durch meine Angst hindurchdringt. Bis in meinem Gehirn die Erkenntnis ankommt, dass ich nicht in den Abgrund gestoßen, sondern hochgezogen werde. Ich höre auf, mich zu wehren, und lasse mich hinaufzerren, weiter, weiter, immer weiter, bis ich schließlich auf der sicheren Uferböschung liege.
    Mein Herz hämmert. Ich bekomme kaum noch Luft, aber ich schaffe es, ein »Danke« zu krächzen, bevor Tomas’ Gesicht vor meinen Augen verschwimmt. Sein Blick ist besorgt und wachsam, aber sein Ton ist scheinbar unbekümmert, als er sagt: »Wenn wir erst mal zurück in Tosu-Stadt sind, üben wir das mit dem Weitsprung noch mal.«
    Ein schwacher Scherz, aber er bringt mich zum Lächeln und hilft mir, für einen winzigen Moment zu vergessen, wo ich bin. Warum ich mich an einem solchen Ort befinde. Einen Augenblick lang fühle ich mich in Sicherheit. Dann ist der Zauber vorbei. Ich rappele mich auf und starre zurück zur Brücke, wo ich nach Spuren des Armbrustschützen suche.
    »Wir müssen von hier verschwinden. Da ist jemand mit einer Armbrust, der das Feld der Konkurrenten ein bisschen ausdünnen will. Er hat mich angegriffen, während ich auf der Suche nach dir war. Anscheinend ist er mir bis zur Brücke gefolgt.«
    Tomas’ Augen werden schmal, als er an mir vorbei zur Brücke schaut. Braucht er etwa einen Beweis dafür, dass es einen Schützen gegeben hat? Reicht ihm mein Wort etwa nicht? Wenn es die Träume meines Vaters nicht gegeben hätte, Romans Verrat und Michals Warnung, dann hätte ich auch nicht geglaubt, dass ein anderer Kandidat in einer derartigen Weise an die Auslese herangehen würde. Kann ich es Tomas verdenken, wenn er ebenfalls zweifelt?
    »Also, wer auch immer es war, er sucht sich anscheinend einen anderen, sichereren Weg über den Fluss. Es ist erstaunlich, dass du es bis auf diese Seite geschafft hast. Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, als ich gesehen habe, wie dein Sprung misslang.« Er schiebt sich die Tasche über seiner Schulter zurecht und streckt mir seine Hand entgegen. Ich will sie gerade ergreifen, als ich sehe, dass meine eigenen Hände bluten. Auch Tomas sieht, dass ich verletzt bin, und sagt: »Die Wunden sollten wir lieber auswaschen. Das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst, ist eine Infektion. Lass uns zusehen, dass wir in den Schatten kommen und dich verbinden.«
    Wir marschieren mehr als eine Meile Richtung Westen, ehe ich bereit bin, bei einem hüfthohen Haufen aus Metall und Gestein

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