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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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in meiner Tasche und zeige Tomas dann den Transit-Kommunikator meines Bruders und das Taschenmesser, das ich von zu Hause mitgebracht habe. Der Gedanke, dass wir vermutlich sehr viel besser für den Überlebenskampf gerüstet sind als die meisten anderen Kandidaten, gibt mir ein Gefühl von Selbstvertrauen, während wir durch die zerstörte Stadt nach Westen laufen. Tomas meint, wir sollten noch eine Weile in diese Richtung marschieren, ehe wir nach Süden abbiegen, was mich überrascht.
    »Sind wir nicht unterwegs zum Zaun?«, frage ich.
    »Warum denn das?«
    »Um die anderen abzuholen. Du hast doch Zandri und dem Rest gesagt, dass wir uns an der Grenzlinie treffen, oder?«
    Tomas bleibt stehen. »Du bist die Einzige, mit der ich mich abgesprochen habe.«
    »Aber …« Ich will ihn nach dem Grund für seine Zurückhaltung fragen, doch dann denke ich an den Armbrustschützen, an Ryme, die mir von ihren Kornkeksen anbot, und an Roman, der Malachi ins Stolpern brachte, als dieser zum ersten Mal den Speisesaal betrat. Und vor allem an Romans Täuschung. Am Ende ist es eine Frage des Vertrauens. Mir vertraut Tomas. Die vielen Male seit unserer Kindheit, in denen ich gesehen habe, wie er andere Menschen freundlich behandelt hat, geben mir die Gewissheit, dass auch er mein Vertrauen verdient. Trotzdem muss ich ihn fragen: »Was passiert, wenn wir unterwegs auf Zandri oder die anderen stoßen?« Werden wir sie dann sich selbst überlassen? Erlauben wir ihnen, sich uns anzuschließen? Können wir wirklich jenen, die wir unsere Freunde nennen, den Rücken zukehren?
    Ich spüre, wie Tomas mit den Antworten auf diese Fragen ringt, während wir unseren Weg erneut nach Westen fortsetzen. Erst nach einer ganzen Weile antwortet er mir. »Man hat uns gesagt, dass wir am Ende anhand der Entscheidungen beurteilt werden, die wir treffen. Ich schätze, dies wird eine davon sein.«
    Wir laufen einige Meilen weiter, und unser Gespräch verstummt. Die Landschaft, die sich bis zum Horizont vor uns erstreckt, wird karger. In der Schule haben wir im Geschichtsunterricht gelernt, dass sich die Städte immer weiter und weiter ausgebreitet haben. Hunderttausende Menschen sollen in nächster Nähe von Chicago gelebt und gearbeitet haben, und der Puls der Stadt hat sie am Leben gehalten. Davon ist jetzt keine Spur mehr zu sehen. Wer auch immer die Stadt in Schutt und Asche gelegt hat, hat auch die unmittelbare Umgebung zerstört, jedenfalls so weit, wie unsere Augen reichen. Nichts als Metallteile, Ruinen, Glassplitter und aufgesprungene, verseuchte Erde sind jetzt noch übrig – als stumme Zeugen der Zerstörung, die Menschen über ihre Mitmenschen gebracht haben.
    Die Sonne versinkt am Horizont, und Dunkelheit senkt sich langsam herab, als wir eine kleine Hütte entdecken, die von hohem Gras umgeben ist. Stand sie schon in der Zeit vor dem Krieg hier, oder wurde sie unmittelbar danach von jemandem errichtet, der der Vernichtung entkommen war? Aus welchem Material auch immer sie gemacht ist, sie scheint noch intakt zu sein. Tomas und ich wechseln einen Blick. Stumm verständigen wir uns, dass wir uns diese Hütte einmal näher ansehen wollen. Natürlich könnten wir auch weiterziehen, aber wer weiß, ob wir noch ein anderes Dach über dem Kopf finden werden. Die Vorstellung, nachts ungeschützt unter freiem Himmel bleiben zu müssen, während Kandidaten der Auslese und Tiere Jagd auf Beute machen, ist alles andere als verlockend.
    Uns ist heiß, und wir sind völlig verschwitzt, als wir bei der Unterkunft ankommen. Das letzte Licht verblasst am Himmel. Die Hütte ist klein und quadratisch – ungefähr drei mal drei Meter groß – und hat einen harten Betonboden. Alle vier Wände stehen noch, aber der Großteil des Daches ist fort, sodass wir einen freien Blick in den verhangenen Himmel haben. Ich bin froh, dass es keinerlei Anzeichen von Regen gibt. In einer Ecke ist der Boden schwarz, was die Vermutung nahelegt, dass jemand anders – wohl ein Kandidat aus früheren Jahren – hier ein Feuer entzündet hat.
    Tomas ist der Ansicht, dass die Wände genug Schutz bieten würden, wenn wir ebenfalls ein kleines Feuer anmachten. Doch obwohl es sicher tröstlich wäre, wollen wir beide kein Risiko eingehen. In der Schwärze der Nacht würde jeder Feuerschein meilenweit zu sehen sein.
    Wir essen getrocknete Früchte und ein wenig Brot. Als wir unsere Mahlzeit beendet haben, ist es endgültig Nacht geworden, und obwohl der Mond hell leuchtet, kann ich

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