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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Wenigstens so lange, bis ich genauer sagen kann, ob mir die Person etwas Böses will oder nicht. Der Erdboden zwischen dem Container und der Mauer ist etwas zerklüftet, aber einigermaßen eben. Falls jemand draußen vor dem Eingang lauert, sind meine Chancen auf ein Entkommen am größten, wenn ich ihn überrasche. Ich hänge mir meine Tasche quer über die Brust, sodass sie enger am Körper liegt. Dann rücke ich sie so zurecht, dass ich ihr Gewicht kaum noch spüre, hole tief Luft und renne los.
    Meine Stiefel sind laut auf dem harten Boden. Irgendwo rechts von mir, so meine ich, höre ich jemanden fluchen. Meine Flucht hat meinen ungebetenen Besucher völlig überrascht, oder aber er hat mit jemand anders gerechnet. Wenn er mir freundlich gesonnen ist, wird er mir schon hinterherrufen. Falls nicht, ist es besser, noch schneller zu rennen. Ich bin vielleicht drei Meter von meinem Ziel entfernt, als ich ein sirrendes, beinahe melodisches Geräusch höre. Dann einen dumpfen Aufprall. In der rauen Borke des Baumstamms zu meiner Linken steckt ein Armbrustbolzen.
    Wieder höre ich etwas vibrieren. Dieses Mal werfe ich mich auf den Boden. Sekundenbruchteile später prallt das Metall des nächsten Bolzens von der Mauer anderthalb Meter vor mir ab und fällt scheppernd zu Boden. Wieder ertönt ein Fluchen, unverkennbar rechts von mir. Wer auch immer diese Bolzen abschießt, hat entweder eine erstaunlich glückliche Hand dabei oder hat in der Vergangenheit mit dieser Waffe trainiert. Ich muss Deckung finden, und zwar schnell.
    Also rappele ich mich wieder auf. Meine Tasche schlägt mir gegen die Hüfte, während ich vorwärtsjage und hinter der nächsten Wand abtauche, als erneut ein Bolzen gegen die Mauer prallt.
    Es besteht kein Zweifel daran, dass jemand darauf aus ist, mich zu töten.
    Ein anderer Prüfling? Davon muss ich wohl ausgehen. Unter den Waffen im Ausrüstungsraum war auch eine Armbrust. Zwar kann ich gut verstehen, dass man sich in dieser zerstörten Stadt ängstlich und allein fühlt, aber trotzdem glaube ich nicht, dass dieses Gefühl der Grund für den Angriff ist. Genauso, wie Roman während der dritten Prüfung unsere Gruppe ganz bewusst sabotiert hat, ist auch dieser Beschuss berechnend. Er ist eiskalt ausgeführt. Dies ist der Versuch von jemandem, die Aussichten auf einen Universitätsplatz für sich selbst zu verbessern.
    Zorn und Empörung bahnen sich ihren Weg durch meine Angst hindurch. Wer auch immer der Kandidat mit der Armbrust ist, er verlässt sich nicht darauf, schlau genug zu sein, um diesen Prüfungsteil zu bewältigen. Michal sagte, dass es nicht gegen die Regeln verstoße, jemanden zu töten, doch ich bin der Ansicht, dass das eine Form von Betrug ist. Und ich will verdammt sein, wenn ich einen Betrüger am Ende gewinnen lasse.
    Mein Blick fällt auf die Pistole in meiner Hand. Ich gehe in die Hocke und bewege mich ganz langsam nach rechts, immer darauf achtend, die Mauer als Schutzschild zu nutzen. Als ich am Ende der Wand angekommen bin, versuche ich abzuschätzen, von wo aus die Bolzen abgefeuert worden sein müssen, spähe dann um die Ecke und schieße.
    Der Rückstoß der Waffe fährt mir durch den ganzen Körper, während der Schuss durch die schweigende Stadt hallt. Jemand flucht laut – es ist eine männliche Stimme. Ich finde es schwer vorstellbar, dass mein blinder Gegenschlag meinen Angreifer getroffen haben könnte. Das war auch gar nicht mein Ziel. Ich habe nicht vor, diesen Test zu überleben, indem ich andere töte. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich kampflos untergehen will. Noch drei weitere Kugeln feuere ich blindlings in Richtung Stadt und kauere mich dann hinter der Mauer nieder, um auf Geräusche des Armbrustschützen zu lauschen. Als ich Schritte höre, stockt mir der Atem.
    Kleinere Steine kullern über den Beton.
    Irgendetwas Metallisches klirrt.
    Stille.
    Dann das Geräusch von schweren Stiefeln. Jemand rennt, doch nicht auf mich zu, sondern von mir weg. Ich bin in Sicherheit.
    Jedenfalls vorerst.
    Mein ganzer Körper bebt, während die Wut langsam abklingt und nichts als das dumpfe Gefühl der Angst zurücklässt. Ich habe gerade eine Waffe auf einen Menschen gerichtet. Nein. Ich habe nicht versucht, meinen Angreifer zu erschießen. Aber ich hätte ihn tödlich treffen können. Die Tatsache, dass diese Person zuvor versucht hat, mein Leben zu beenden, rechtfertigt mein Verhalten vielleicht, aber Scham und Entsetzen werden deshalb nicht weniger.
    Ich

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