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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Werkzeuge aus Metall. Ich habe nie verstanden, wozu das alles gut sein könnte. Jetzt weiß ich es.
    Ich wähle das Werkzeug aus, das vielleicht vier Zentimeter lang, weniger als einen Zentimeter breit und an der Spitze abgerundet ist. In der Mitte befindet sich eine Art Haken – mein Vater erklärte mir damals, dass er so etwas als Kind benutzt habe, um damit Flaschen zu öffnen. Da es solche Flaschen beziehungsweise deren Verschlüsse in Five Lakes nicht mehr gibt, kann ich nur ahnen, wie es wohl zu handhaben gewesen ist. Allerdings bin ich gar nicht an der ursprünglichen Funktion des Flaschenöffners interessiert, sondern mehr an der langen glatten Oberfläche. Nun muss ich nur noch den Mut aufbringen, meinen Plan auch in die Tat umzusetzen.
    Das kleine Feuer prasselt vor sich hin, während ich etwas tue, was ich bei Dr. Flint gesehen habe, wenn ein Patient bei einer besonders unangenehmen Behandlung bei Bewusstsein war. Ich reiche Tomas das Laken aus seiner Tasche und sage ihm, er solle es sich ein Stück in den Mund stopfen und dann fest zubeißen. Unterdessen halte ich den Flaschenöffner über die Flammen und warte darauf, dass das Metall glühend rot wird. Als das der Fall ist, bitte ich Tomas wegzugucken. Ehe ich in letzter Sekunde noch die Nerven verlieren kann, ziehe ich das heiße Metall aus der Flamme und stecke es tief in die Wunde.
    Tomas brüllt in sein Laken und bäumt sich vor Schmerzen auf. Seine gequälten Schreie sind gedämpft, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Aber ich muss weitermachen. Wieder schiebe ich das Werkzeug mit einer Hand ins Feuer, während ich mit der anderen Hand erst das Blut rings um die Wunde abtupfe und dann Tomas’ Beine festhalte. Als das Metall wieder glüht, drücke ich es noch einmal in Tomas’ Fleisch. Ein Geruch nach Kupfer und Schwefel bringt mich zum Würgen. Der Gestank verbrannter Haut. Tränen laufen mir über die Wangen. Meine Brust wird mir so eng, dass ich kaum mehr atmen kann. Tomas’ erstickte Schreie stechen mir ins Herz, während ich das heiße Metall wieder und wieder in die Wunde schiebe. So lange, bis sich das verbrannte Gewebe endlich zusammenzieht und die Blutung stoppt.
    Meine Hände beben, als ich unser kostbares Wasser dafür verwende, die Wunde ein letztes Mal zu säubern. Dann trage ich vorsichtig überall Salbe auf, verbinde die Stelle und helfe Tomas dabei, seine Hose wieder hochzuziehen. Ich hoffe inständig, dass die Blutung dauerhaft gestillt ist, denn ich glaube kaum, dass ich diese Prozedur noch einmal durchstehen würde.
    Tomas’ Augen sind glasig, und seine Stirn ist schweißgebadet, aber er versucht, mir ein schwaches Lächeln zuzuwerfen. »Hab kaum etwas gespürt«, lügt er.
    Ich will ihm einen Kuss auf die Wange drücken, aber er dreht in letzter Sekunde seinen Kopf, und der Kuss landet auf seinem Mund. Die Zeit scheint stehen zu bleiben, und wir starren einander an. Dann beugt sich Tomas ganz, ganz langsam vor und küsst mich noch einmal. Dieser Kuss ist leicht wie eine Feder, aber ich spüre ihn bis hinab in meinen Magen. Ich bin schon früher von Jungen geküsst worden – zwar war ich jung im Vergleich zu den anderen in meiner Klassenstufe, aber so jung nun auch wieder nicht. Bei keinem dieser Küsse habe ich mich gefühlt wie bei diesem. Vielleicht liegt es an der Angst, die sich während der gerade erfolgten Behandlung in mir aufgestaut hat, und an dem Adrenalin oder daran, dass ich mir nicht sicher bin, warum Tomas mich küsst. Aus Dankbarkeit? Oder ist da noch mehr? Irgendetwas, von dem ich gespürt habe, dass es langsam mehr wurde, seitdem wir im letzten Jahr zusammen getanzt haben. Ich habe mich bislang einfach nicht getraut, daran zu glauben, dass da etwas zwischen uns sein könnte.
    Meine Gefühle, über die ich jetzt nicht weiter nachgrübeln will, verwirren mich, und ich drehe mich um und stopfe meine Sachen zurück in die Tasche. »Es wird bald dunkel. Als ich da auf dem Hügel stand, habe ich einen kleinen Bach gesehen, gar nicht weit entfernt von hier. Kannst du dich bewegen, oder wollen wir lieber hier die Nacht abwarten? Für mich ist es noch hell genug, um schnell dort hinzulaufen, unsere Trinkflaschen aufzufüllen und wieder zurückzukommen.« Ich weiß, dass ich zu viel rede, aber ich kann nichts dagegen tun.
    Tomas schüttelt seinen Kopf und richtet sich mühsam auf die Knie auf. »Wenn unser Freund mit der Armbrust die Explosion gehört hat, kommt er uns hier vielleicht suchen. Bei Einbruch der

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