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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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mich zurückdrehe, versucht Tomas, meinen Blick aufzufangen. Der Schalk ist völlig aus seinen Augen verschwunden und hat einem beschwörenden Ausdruck Platz gemacht.
    »Wenn mir ein anderes Mädchen geholfen hätte, hätte ich es nicht geküsst.« Seine Worte hängen zwischen uns in der Luft. Tief in meinem Innern bewegt sich etwas und wird nun endlich gerade gerückt. Dann ist der magische Moment auch schon wieder vorbei, und Tomas sagt: »Komm, wir sollten aufbrechen. Es ist noch ein langer Weg bis nach Tosu-Stadt.«
    Ehe wir weiterziehen, teste ich noch einmal das Wasser, das ich gestern behandelt habe, und bin dankbar dafür, dass ich etwas Sinnvolles zu tun habe, was mich davon ablenkt, unablässig über Tomas’ Worte nachzugrübeln. Hat er mir sagen wollen, dass ich etwas Besonderes für ihn bin, oder wollte er mir nur schmeicheln? Wenn ich daran denke, dass ihm zu Hause in Five Lakes so ziemlich jedes Mädchen zu Füßen gelegen hat, finde ich es schwer vorstellbar, dass er jemals auf diese begehrliche Weise an mich gedacht hat. Doch dann erinnere ich mich an den Tanz und all die vielen Male im letzten Jahr, bei denen ich ihn im Klassenzimmer dabei ertappt habe, wie er mich beobachtete. Vielleicht ist die ganze Zeit schon etwas zwischen uns gewesen.
    Auch nach der erneuten Überprüfung bleibt das Wasser klar. Tomas und ich nutzen die Chance, stillen ausgiebig unseren Durst und waschen uns sogar den Schmutz der Reise von den Händen und aus den Gesichtern, ehe wir die Flaschen am Bach nachfüllen und die entsprechenden Chemikalien hinzufügen. Zum Frühstück essen wir Cracker, Äpfel und etwas Wiesen-Klee, den wir ganz in der Nähe unseres Lagers in den Büschen entdecken. Ich sehe nach Tomas’ Wunde, trage noch einmal Salbe auf, und dann ziehen wir Richtung Südwesten los.
    Der heutige Tag ist kühler. Ich glaube, dass nun Stürme drohen, aber allein die Tatsache, dass es nicht mehr so extrem heiß ist, macht die Reise viel leichter. Unser Vorankommen wird uns vom Transit-Kommunikator angezeigt, auf dem sich unsere Koordinaten ständig anpassen, aber wir merken es auch an der Umgebung, die sich rings um uns herum verändert. Der flache, rissige Boden, der nur ab und an von kleinen Grünflächen und kränklich aussehenden Bäumen durchbrochen wurde, weicht einer Hügellandschaft mit Bäumen, die zwar auch noch nicht richtig gesund scheinen, aber doch nicht mehr so schwarz und verkrüppelt sind. Überhaupt gedeihen hier weitaus mehr Pflanzenarten. Öfter als nur einmal halten Tomas und ich an, weil ich wilde Karotten, Malven und Schwalbenwurz entdeckt habe. Ich weiß zwar nicht, ob wir irgendwann Zeit haben werden, ein Feuer anzuzünden, um Letztere zu kochen, aber sicherheitshalber pflücke ich sie trotzdem. Unsere augenblicklichen Vorräte werden nur noch zwei oder drei Tage reichen. Also brauchen wir alles an Nahrung, was wir finden können.
    Wir sehen nun auch immer mehr Vögel wie den, der mich an diesem Morgen mit seinem Gesang geweckt hat, und Spuren anderer Wildtiere. Tomas entdeckt die Abdrücke von Rehen, Füchsen und Hasen und auch tiefe Fährten, die wir keinem Tier zuordnen können. Wir werden auf die Jagd gehen müssen, wenn wir so weit bei Kräften bleiben wollen, dass wir bis zum Ende der Auslese durchhalten. Aber im Augenblick wollen wir erst mal vorankommen. Während wir Meile um Meile zurücklegen, sprechen wir über die vereinzelten Gebäude, an denen wir vorbeikommen. Viele sind es nicht. Bei manchen von ihnen stehen nur noch ein paar Wände. Andere sehen besser erhalten aus. Als die Nacht näher rückt, beschließen wir, uns eine Gruppe von einstöckigen Häusern genauer anzusehen, die von Weitem in gutem Zustand zu sein scheinen. Vielleicht haben die Menschen, die früher hier gelebt haben, etwas zurückgelassen, was wir nutzen können, um schneller voranzukommen. Oder wir finden andere nützliche Dinge wie Draht für Tierfallen, die uns beim Überleben helfen sollen.
    Im ersten Haus hat sich eine Tierfamilie eingenistet. Es gibt unverkennbare Spuren von Klauen und Losung, die so frisch aussieht, dass wir es uns anders überlegen und weiterziehen. Das nächste Haus macht den Eindruck, jeden Augenblick einzustürzen, aber ein kleiner Geräteschuppen dahinter scheint stabil zu sein, und so wagen wir uns hinein. Durch ein Fenster, das seine Scheibe schon vor langer Zeit eingebüßt hat, fallen die letzten Strahlen der Sonne herein, sodass wir im Innern alles gut erkennen können. Der

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