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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Prüfer halten. Stattdessen betrachte ich ihn als Falle.
    »Lass uns mal um den Teich herumgehen und uns die Sache genauer ansehen. Nur für alle Fälle.«
    Tomas will nicht einlenken; ich kann es daran erkennen, wie er die Kiefer aufeinanderbeißt. Das ist die gleiche Reaktion, die ich schon oft bei ihm gesehen habe, wenn er im Klassenzimmer der Meinung war, dass ein Mitschüler oder unsere Lehrerin im Unrecht war. Anstatt mit ihm zu diskutieren, trete ich ganz nah an die Stelle, wo das üppige Gras beginnt, achte aber sorgsam darauf, das Grün nicht mit meinen Füßen zu berühren. Die Blumen, die in der Nähe des Teichrandes blühen, erfüllen die Luft mit ihrem süßen Duft. Die Bäume sind groß und gerade gewachsen, und in der sengenden Sonne locken sie uns mit ihrem Schatten. Es ist ein Ort, der wie geschaffen dafür ist, sich auszuruhen und von den Strapazen der Reise zu erholen. Ist es verwunderlich, dass ich in einer Umgebung, in der so gar nichts vollkommen ist, dieser Idylle misstraue?
    »In meinen Augen sieht hier alles ganz in Ordnung aus«, ruft mir Tomas von der anderen Seite der Oase aus zu.
    »Nur noch ein paar Minuten, bitte«, rufe ich zurück. Dann drehe ich ihm den Rücken zu und hoffe, dass sich damit jede Diskussion erübrigt. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich schleunigst von diesem Ort verschwinden sollte, aber zuvor muss ich Tomas überzeugen. Er war immer so gut und so lieb zu anderen, besonders zu denen, die traurig waren oder in Schwierigkeiten steckten. Es ist kein Wunder, dass er meint, die Regierung, die uns hierherverfrachtet hat, würde uns ebenfalls etwas Gutes tun wollen. Da dies die erste Wasserquelle ist, seitdem wir gestern den verseuchten Fluss gesehen haben, kann ich es ihm auch nicht verdenken, dass er in Versuchung gerät. Wenn es doch bloß einen weiteren Wasserzugang ganz in der Nähe gäbe.
    Da ist noch ein anderer Hügel nicht allzu weit von uns entfernt! Vielleicht entdecke ich etwas, wenn ich von dort oben Ausschau halte …
    »Ich bin gleich wieder da. Bleib, wo du bist«, sage ich und mache mich auf den Weg zum Hügel.
    Meine Beine sind müde, aber ich bewege mich schnell. In weniger als fünf Minuten habe ich es auf die Spitze geschafft, und obwohl ich atemlos bin, muss ich lachen, als ich meine Blicke schweifen lasse. Gar nicht weit entfernt, vielleicht hundert Meter von hier, gibt es tatsächlich einen kleinen Fluss. Das Wasser glitzert zwar nicht, und die Pflanzenwelt ringsum ist auch nicht gerade üppig, aber ich sehe am Wuchs, das sie natürlichen Ursprungs ist. Wasser. Verseucht? Wahrscheinlich. Aber ich habe meine Reinigungsutensilien, um etwas dagegen zu unternehmen. Zum ersten Mal am heutigen Tage bin ich aus tiefstem Herzen erleichtert.
    Und dann explodiert die Welt.

Kapitel 12
    Eine Druckwelle und meine eigene ungläubige Verblüffung bringen mich aus dem Gleichgewicht, und ich stürze zu Boden, wo ich mich zum Glück abrollen kann. Sofort rappele ich mich wieder auf und versuche zu verstehen, was gerade passiert ist. In meinen Ohren pfeift es. Dort, wo vorher die Oase war, befindet sich jetzt ein riesiges Loch. Tomas liegt vollkommen regungslos unmittelbar daneben auf dem harten, aufgerissenen Boden.
    Ich unterdrücke ein Schluchzen und renne Hals über Kopf den Hügel hinunter zu der Stelle, an der Tomas mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegt. Sofort mache ich mich auf das Allerschlimmste gefasst. Darauf, dass ich schon wieder die Hand von einem Freund von zu Hause halten muss, während er aus dieser Welt fortgeht und mich allein hier zurücklässt. Dann sehe ich, dass sich seine Brust regelmäßig hebt und senkt, und ich werde von unbeschreiblicher Erleichterung erfasst. Er ist am Leben. Wie auch immer die Falle ausgelöst wurde: Tomas befand sich nicht darin, als es geschah. Ansonsten wäre von ihm – wie von den Bäumen, den Pflanzen und dem Wasser – nichts mehr übrig. Schon allein die Vorstellung, mich ohne Tomas und seine Stärke und ausgeglichene Art den Anforderungen der Auslese stellen zu müssen, schnürt mir die Luft ab.
    Aber er ist nicht bei Bewusstsein, was kein gutes Zeichen ist. Ich lasse mich neben ihm auf die Knie sinken und taste vorsichtig seinen Hinterkopf nach Schwellungen ab, die dafür sprechen könnten, dass er sich eine Gehirnerschütterung oder Schlimmeres zugezogen hat. Zum Glück entdecke ich nichts. Doch dann fällt mein Blick auf die Blutlache, die sich auf dem Boden unter Tomas’ rechter Hüfte zu sammeln

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