Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
Vom Netzwerk:
beginnt, und auf den mindestens zwei Zentimeter dicken Ast, der aus seinem Körper ragt.
    Ich schlucke mühsam meine Tränen hinunter. Mit Weinen werde ich Tomas bestimmt nicht helfen, also muss ich mir überlegen, was ich stattdessen tun kann. Dr. Flint hat immer gesagt, man solle Patienten mit einer Kopfverletzung nicht bewegen, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich muss das Blut, das unablässig in den trockenen Boden sickert, aufhalten. Vorsichtig rolle ich Tomas auf die Seite. Der knorrige Ast hat sich tief in seinen Körper gebohrt. Die Explosion und Tomas’ Aufprall auf dem Boden müssen so heftig gewesen sein, dass er von dem Holzstück regelrecht gepfählt worden ist.
    Ich hole tief Luft und versuche, das aus dem Leib ragende Stück gut zu fassen zu bekommen; dann ziehe ich. Die unregelmäßige, raue Rinde reißt an Tomas’ Fleisch wie Widerhaken. Er beginnt zu stöhnen und sich zu wehren, als ich das Holz vorsichtig in seiner Wunde vor und zurück bewege, um es herauszubekommen, ohne noch schlimmeren Schaden anzurichten. Als der Ast schließlich draußen ist, blutet die Wunde noch stärker. Ich reiße Stoffstreifen von meinem Bettlaken, lege sie über die Wunde und presse sie fest mit einer Hand darauf, während ich mit der anderen nach dem Medizinbeutel suche. Die Desinfektionssalbe kann ich jetzt gut gebrauchen. Vielleicht auch Nadel und Faden, wenn ich es über mich bringen sollte, beides zu benutzen. Als ich Tomas ganz auf den Bauch drehe, stöhnt er.
    Seine grauen Augen öffnen sich mühsam. »Was ist passiert?«
    Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich seine Stimme höre und sehe, dass er endlich wieder bei Bewusstsein ist. Gleichzeitig kann ich die Tränen der Erleichterung nicht mehr länger zurückhalten. »Die Oase ist explodiert«, berichte ich und wische mir mit meinen verdreckten Handrücken die Tränen von der Wange. »Du bist von einem Ast aufgespießt worden. Ich habe ihn herausgezogen, und die Wunde blutet ziemlich arg. Aber mach dir keine Sorgen«, füge ich mit vorgetäuschter Zuversicht hinzu. »Ich habe dich in null Komma nichts wieder zusammengeflickt. Allerdings …«
    Seine Augen werden ganz schmal. »Allerdings was?«
    Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen steigt, noch bevor ich antworte: »Du wirst dafür wohl deine Hose ausziehen müssen.«
    Das Grinsen, das Tomas mir zuwirft, ist spöttisch und mehr als nur ein bisschen anzüglich. Doch schnell verschwindet es, und er legt die Stirn in Falten, während er sich damit abmüht, seine Hose zu öffnen und sie abzustreifen. Die Wunde blutet noch immer, aber nicht mehr ganz so schlimm wie vorher. Der aufklaffende Riss hat einen Durchmesser von fast drei Zentimetern, und dem Blut nach zu urteilen, das an dem Stock klebt, ist sie fast acht Zentimeter tief. Die Haut rings um die Wunde ist voller Blut und Muskelgewebe. Eine solche Verletzung muss höllisch wehtun. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich sie versorgen soll. Im Laufe der Jahre hat Dr. Flint so manche offene Stelle meiner Brüder verarztet, aber keine hat je so ausgesehen wie diese hier. Meine Brüder hatten sich immer nur einfache Fleischwunden zugezogen, die man lediglich zusammendrücken und nähen musste. Jetzt sehe ich allerdings eine ziemlich tiefe, breite Kerbe vor mir.
    Trotzdem muss ich irgendetwas tun.
    Ich krame mehrere Schmerztabletten aus dem Beutel und helfe Tomas dabei, sich aufzurichten, sodass er sie runterschlucken kann. Dann reinige ich die Wunde, so gut ich kann, mit Wasser. Von Blut und Schmutz befreit, sieht die Verletzung sogar noch schlimmer aus als vorher. Ich hatte recht: Es ist unmöglich, diese Wunde einfach zu nähen.
    Jetzt fällt mir nur noch eins ein. Allein beim Gedanken daran könnte ich heulen, aber mir bleibt keine Wahl. Noch immer quillt Blut heraus. Wenn ich es nicht bald stoppe, dann wird Tomas nicht mehr weiterlaufen können. Er wird die Prüfung nicht beenden – und ich genauso wenig, da ich es niemals übers Herz bringen würde, in dem Wissen wegzugehen, dass er ganz allein hier draußen an seiner Verletzung sterben könnte.
    Ich sammle ein bisschen trockenes Gras und Holz zusammen und schichte es aufeinander, dann zünde ich den Haufen mit einem von Tomas’ Streichhölzern an. Als das Feuer richtig lodert, hole ich das Messer aus meinem Beutel. Zusätzlich zu der Schneide und dem Schraubenzieher gibt es an dem Taschenmesser auch noch eine Nagelfeile, eine kleine Säge, einen Haken und verschiedene andere

Weitere Kostenlose Bücher