Die Außenseiter
Sch'reiber entgegen, damit das Gerät dessen Stimme deutlicher aufzeichnete. »Bitte sag mir: Was war es für ein Gefühl, deinen Mitmenschen zu töten?«
Cheelo warf ihm einen bösen Blick zu und wünschte sich, er könne in den Facettenaugen des Wesens lesen. Doch der Thranx erwiderte seinen Blick einfach nur; die Augen des Außerirdischen wirkten wie in blaugrünes Chitin eingefasste Opale und glitzerten im Licht, das durch das Blätterdach einfiel.
»Was zum Teufel ist das für eine Frage?«
»Eine schwierige«, erwiderte der Außerirdische. »Leichte Fragen ergeben kraftlose Gedichte.«
Das Verhör, das Cheelo über sich ergehen lassen musste (so kam es ihm jedenfalls vor), zog sich den ganzen restlichen Nachmittag bis zum Abend hin. Was der Thranx sich von den vielen Fragen versprach, die von belanglos bis albern rangierten, war Cheelo ein Rätsel, doch schien der Außerirdische sich über jede Antwort zu freuen, ganz gleich, ob sie ausweichend oder ausführlich ausfiel. Cheelo ließ alle Fragen über sich ergehen, ohne ihren Grund zu verstehen, denn er wusste, dass er am nächsten Tag sämtliche Fragen samt Fragesteller los wäre. Dann könnte er seine Verabredung in Golfito einhalten, was sein Leben für immer verändern würde.
Am nächsten Tag weckten ihn nicht die Sonne oder die Schreie der Affen, nicht das Gekrächze der Aras und auch nicht das Summen der Insekten, sondern ein leichter Stoß, den jemand seiner Schulter versetzte.
»Später«, brummte er. »Es ist noch zu früh.«
»Da stimme ich dir zu«, antwortete eine vertraute, leise Stimme, »aber du musst trotzdem aufstehen. Ich glaube nicht, dass wir noch allein sind.«
Sofort war Cheelo hellwach. Blitzschnell setzte er sich auf und schleuderte die Decke von sich. »Deine Freunde? Kommen sie dich suchen?«
»Das ist ja das Merkwürdige. Ich sehe nur, dass jemand vorbeigekommen ist, und die Spuren sehen nicht so aus, als stammten sie von Thranx.«
Cheelo runzelte die Stirn. »Was für Spuren?«
»Komm und sieh selbst!«
Cheelo folgte dem Außerirdischen ins Unterholz bis zu einer kleinen Lichtung. Was er dort sah, hatte er zwar schon fast erwartet, dennoch entsetzte ihn der Anblick. Die Felle waren fein säuberlich zum Trocknen auf Gestelle gespannt worden, die jemand aus zugeschnittenen Asten und Ranken zusammengebaut hatte. Einige Spuren verrieten, dass sich hier jemand erst vor kurzem eine Mahlzeit gekocht hatte. An einigen Stellen war der Boden von Stiefeln platt getreten. Cheelo war zwar kein Biologe, erkannte aber sogleich, dass die Felle von einem Jaguar und zwei Margays stammten. Er entdeckte eine leichte Transportkiste, klappte ihren Deckel auf und fand darin unzählige ausgerissene Federn, die von Aras und anderen exotischen Vögeln des Regenwaldes stammten. Er klappte den Deckel wieder zu und musterte besorgt den umliegenden Dschungel.
»Was treiben die Menschen, der hier lagern, für seltsame Dinge? Sind es vielleicht Waldhüter, die hier von Amts wegen sonderbare Rituale abhalten müssen?«
»Das hier ist allerdings eine Art von Ritual.« Cheelo zog sich schon wieder vorsichtig aus der kleinen, schmalen Lichtung zurück. »Aber das hat bestimmt nichts mit Waldhütern oder Rangern zu tun. Ganz im Gegenteil.« Er deutete mit dem Kopf auf die Tierfelle, die in der Hitze der Morgensonne trockneten. »Das ist ein Lager von Wilderern.«
»Diesen Begriff kenne ich nicht.« Desvendapur, der längst den Sch'reiber gezückt hatte, lief neben dem Menschen her. Er konnte den Drang nicht unterdrücken, noch einmal zu den hohläugigen Fellen zurückzusehen, die einsam an ihren grob zusammengezimmerten Gestellen hingen.
Cheelos Blick wanderte pfeilschnell hin und her, von Baum zu Busch, während er nervös nach etwaigen Angreifern Ausschau hielt. »Wilderer verstecken sich an Orten wie diesem Naturreservat, um alles zu stehlen, was sie zu Geld machen können. Seltene Orchideen für Blumensammler, seltene Käfer für Insektensammler, exotische Hölzer für Möbelbauer, Mineralien, lebende Vögel und Affen für den Tierschwarzmarkt.« Er deutete auf das verborgene Lager. »Vogelfedern zu Dekorationszwecken, Felle für Kleidung.«
»Kleidung?« Desvendapur senkte den Sch'reiber und sah noch einmal zur Lichtung zurück. »Du meinst, diese Leute töten Tiere und ziehen ihnen die Haut ab, damit Menschen sie anziehen können?«
»Ganz genau.« Cheelo suchte das dichte Blattwerk vor sich nach Ameisen, Schlangen und bissigen Käfern ab, ehe
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