Die Außenseiter
verdammter Künstler!
Im Laufe seines vergleichsweise kurzen Lebens hatte Cheelo sich schon für vieles gehalten. Für eine Quelle dichterischer Inspiration aber noch nie.
»Was stellen die anderen Thranx mit dir an, wenn sie dich hier draußen finden?«, fragte er scharf.
»Sie bringen mich wieder in den Stock, die Kolonie. Dann verhören sie mich. Und verschiffen mich schnellstmöglich auf eine Thranx-Welt. Dann werde ich bestraft. Es sei denn ...«
»Was?«
»Es sei denn, mein unerlaubter Aufenthalt befähigt mich dazu, Gedichte zu verfassen, wie sie die Thranx-Welt noch nie zuvor hat wahrnehmen können. Ich weiß nicht, wie das unter euch Menschen ist, aber in unserer Kultur entschuldigt außergewöhnliche Kunst viele Vergehen. Außerdem hält man alle bedeutenden Künstler für zumindest teilweise verrückt.«
Cheelo nickte. »Ja, das ist bei uns ähnlich.« Seine Miene verfinsterte sich. »Wart mal kurz! Wenn keiner außer deinen hiesigen Freunden von der Kolonie wissen darf und du mir gerade alles darüber erzählt hast, dann bin ich auch in Gefahr! Du hast mich in Gefahr gebracht!« Cheelos Augen weiteten sich. »Scheiße, was machen die bloß mit mir, wenn sie mich bei dir finden? Ich lasse mich nicht mit dir auf eine Käferwelt verfrachten!«
»Das werden sie wohl kaum tun. Ich nehme an, dass entweder meine oder deine Leute dich töten müssen, um sicherzugehen, dass du die Angelegenheit für dich behältst.«
»Um sicherzugehen, dass ich ...?« Am liebsten hätte Cheelo dem Außerirdischen die Hände um den Hals gelegt und ihn erwürgt, nur dass er mit diesem Anflug von Gewalt dem Wesen nicht einmal die Luft abgeschnürt hätte. Der Thranx mochte vielleicht in den Windungen einer Anakonda ersticken, aber nicht durch die Hand eines Menschen. Doch wenn Cheelo sich anstrengte, könnte er ihm vielleicht wenigstens den Hals brechen. »Wieso musstest du mir das alles verraten? Wieso?«
»Ich war dir die Wahrheit schuldig. Hätte diese getarnte Sonde uns entdeckt, hättest du nicht gewusst, wie dir geschieht, wenn man uns gefangen hätte. Jetzt weißt du es. Ich habe dir nicht von der Kolonie erzählt, um dich in Gefahr zu bringen. Wenn dich ein Suchtrupp aus dem Stock bei mir findet, ist dein Schicksal sowieso besiegelt.«
Der Zweifüßer versteifte sich. »Wessen Schicksal ist besiegelt? Nicht das von Cheelo Montoya! Ich habe mich mein ganzes Leben lang vor irgendwem versteckt! Ich bin in Gebäude eingedrungen, denen sich kein anderer nähern wollte, und unversehrt wieder rausgekommen. Wenn ich es nicht will, wird mich auch kein Haufen aus gottverdammten, süßlich stinkenden Krabbeltieren finden!«
Desvendapur konnte zwar nicht das Gesicht verziehen, dafür lächelte er innerlich. »Eine faszinierend aggressive Reaktion für jemanden, der sich als Wissenschaftler bezeichnet.«
Cheelo schrie dem Thranx eine Beleidigung ins Gesicht, unterbrach sich jedoch mitten im Satz. Er schloss den Mund, und als er schließlich weitersprach, schwang in seiner Stimme eine gefährliche Mischung aus Anschuldigung und Bewunderung mit. »Du hässlicher, riesenäugiger, zahnloser Erdkäfer! Du hältst dich wohl für besonders schlau, was?«
»Dass ich schlau bin, ist eine erwiesene Tatsache, keine Theorie«, entgegnete der Thranx ruhig. »Warum sagst du mir nicht, was du hier in Wirklichkeit machst, Mensch?«
»Klar. Aber klar, warum nicht? Das ist jetzt sowieso egal. Du kannst schließlich nicht in die nächste Polizeistation spazieren und mich verraten, oder? Klar, ich sag's dir.« Er deutete auf die Thorax-Tasche des Außerirdischen. »Warum holst du nicht deinen Sch'reiber raus und zeichnest alles auf? Du könntest vielleicht ein oder zwei verdammte Gedichte darüber verfassen.«
Desvendapur, der den Sarkasmus des Menschen nicht verstand, beeilte sich, der Bitte nachzukommen. Er richtete das kompakte Gerät auf den Zweifüßer und wartete gespannt.
»Ich nehme Menschen Sachen weg«, verkündete Cheelo kampflustig. »Ich bin ohne Besitz geboren worden, hab meine Mutter in Armut sterben sehen und hatte einen kleinen Bruder, der schon als Säugling verreckt ist. Ich bin größer geworden und hab gelernt, dass man, wenn man in dieser Welt etwas haben will, es sich selbst beschaffen muss, weil niemand sonst es einem gibt. Das hier ist ein ziemlich fortschrittlicher Planet. Überall jede Menge toller Technik, gute Medizin, alles ist viel sauberer als früher, und man kommt hier gut zurecht. Das weiß ich aus
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