Die Außenseiter
Menschen abliefern. Das Zubereitungspersonal blieb allein in der Küche zurück, wo es vor Dienstende noch alles sauber machen musste. Schließlich folgte Desvendapur Ulu zu dessen Unterkunft, wobei er sich alles, was er unterwegs sah, genau einprägte; auch hier lernte er mit jedem Schritt etwas Nützliches und Neues.
»Morgen früh muss ich mich melden und meine Papiere vorlegen, deshalb werde ich später in der Küche erscheinen«, erklärte er Ulu, als sie Vorkehrungen trafen, sich zur Ruhe zu legen. »Ich möchte mich schon einmal bei dir für alles bedanken, was du für mich getan hast, und für deine Gastfreundschaft.«
»Ich bin froh, helfen zu können«, erwiderte der Zubereiter arglos. »In der Küche ist jeder Helfer sehr willkommen. Du machst deine Arbeit gut!«
»Ich hatte eine exzellente Ausbildung.« Mittlerweile glaubte Desvendapur das schon selbst. Momentan war er nicht nur ein Amateurdichter, sondern ein professioneller Nahrungszubereiter, einer, der sich auf fremdweltlerische Küche spezialisiert hatte, jemand, der schon von jeher in großen, professionellen Küchen zu Hause war.
Als er am folgenden Morgen vom Tod Melnibicons erfuhr, drohte dies seine Entschlossenheit ebenso zu erschüttern wie seine Zuversicht.
Er hatte ihren Tod nicht gewollt, sondern nur ihre Rückkehr um einen Tag verzögern wollen, um tiefer in die Geheimnisse von Geswixt vordringen zu können. Doch er war gezwungen, das Schuldgefühl, das ihn zu überwältigen drohte, zu unterdrücken, um darüber nachzudenken, welche verworrenen Folgen der Absturz des Gleiters für ihn hatte.
Offiziell würde man sicher annehmen, dass das Unglück nicht nur Melnibicons Leben gefordert hätte, sondern auch das eines gewissen Desvendapur, Dichter und Besänftiger, den die Pilotin unerlaubt für einen Nachmittag nach Geswixt mitgenommen hatte. Dennoch hatte man natürlich keine weitere Leiche aus dem verbrannten Wrack bergen können.
Des war von einem Moment zum anderen zu einer nicht existierenden Person geworden. Desvendapur der Besänftiger lebte nicht mehr. Seine Familie und sein Clan würden trauern. Ebenso wie Heul, für kurze Zeit. Dann würden sie alle ihr Leben weiterleben. Was Des selbst betraf, so hatte er nun die Chance, noch einmal von vorn zu beginnen - als einfacher, hart arbeitender, niederer Nahrungszubereiter für Menschen.
Doch zunächst musste er sich eine Unterkunft beschaffen, ganz zu schweigen von einer Identität.
Es gab eine Reihe von leer stehenden Wohnkabinen im Stock. Er bezog eine, die so weit wie möglich von der nächsten bewohnten Unterkunft entfernt lag. Dass er keinerlei Habseligkeiten hatte, die er darin verstauen könnte, würde einen etwaigen Besucher verwirren, doch er rechnete eigentlich nicht damit, sonderlich viel Besuch zu bekommen.
Da sein persönliches Guthaben gemeinsam mit seiner früheren Identität verschwunden war, würde er sich ein neues bei den Finanzeinrichtungen von Geswixt aufbauen müssen.
Einen persönlichen Ausweis zu fälschen war ein schweres Verbrechen, doch solche ethischen Überlegungen belasteten Des nicht mehr. Nicht nachdem er jemanden getötet hatte, wie wenig das auch immer seine Absicht gewesen war. Künstler sterben für ihre Kunst, und Melnibicon ist für meine Kunst gestorben, versuchte er sich einzureden. Er würde ein angemessenes Gedicht zu ihrem Andenken verfassen, in Tanzversen. Das wäre eine größere Ehre, als jemandem wie ihr normalerweise zuteil werden würde. Dafür durfte sie dankbar sein. Gewiss wären ihr Clan und ihre Familie dankbar. Doch bis er dieses Werk in Angriff nehmen konnte, hatte er noch wichtigere Dinge zu tun, als den Tod eines Individuums zu betrauern, das ihm praktisch völlig fremd und von unbestreitbar geringer Bedeutung gewesen war.
Mithilfe der elektronischen Geräte in seiner Wohnkammer war es überraschend leicht, sich eine neue Identität zu verschaffen - zumal er sein neues Ich nicht als Spezialisten für Militärwaffen klassifizierte oder als Kommunikationsexperten oder Finanzverwalter. Wer würde schon vermuten, dass ein Nahrungszubereiter niedersten Ranges die eigene Identität gefälscht hatte? Mit einigen wenigen virtuellen Handgriffen änderte er seinen Namen in Desvenbapur - eine Änderung, die ihn hinreichend von dem toten Dichter abhob, aber nicht so radikal war, dass er seinen alten Identitätsbrief komplett fälschen musste.
Er wartete gespannt, während das Stocknetz seine Anmeldung verarbeitete. Weil er nun in
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