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Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Titel: Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Benway
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seufzte ich, »lernen wir jetzt, oder was?«
    Henry sah mich an, und ich hielt seinem Blick stand. Ich starrte zurück. »Was denn?«, fragte ich. »Soll ich erst noch um Erlaubnis fragen?«
    Wenn ich ihn rausekeln wollte, musste ich mich beeilen. Sonst wurde ich mit dem Packen nicht mehr fertig und meine Schwestern kamen nach Hause. Dann würde alles auffliegen, und ich saß hier fest. Dieser Gedanke fühlte sich an, als ob jemand auf meinem Brustkorb hockte und mich gefangen hielt.
    Also beschloss ich, Henrys Grenzen auszutesten.
    Am Anfang tat ich so, als sei alles in Ordnung. Er schwafelte von Allianzen und Verträgen, als ob die heute noch irgendwen interessierten. Dann ließ er sich über Preußen und Könige und brutale Staatsstreiche und Enthauptungen aus. Ich schubste derweil meinen Bleistift hin und her, kippte »aus Versehen« mein Wasser über meine Notizen (die, nebenbei bemerkt, ein einziges Gekrakel waren), gähnte zweimal und sagte »Ja« zu allem, was Henry mich fragte, auch wenn es gar keine Ja-Nein-Frage war.
    Erst so gegen neun bekam ich allmählich das Gefühl, dass wir uns seinen Grenzen näherten. Ich wollte, dass er auch mal die Kontrolle verlor. Ich wollte, dass auch mal ein anderer wusste, wie es war, ich zu sein. Aber er seufzte nur und fuhr sich mit wachsender Unruhe durch seine schlecht geschnittenen Haare, bis er schließlich seinen Textmarker auf dem Tisch ablegte und mich ansah.
    Â»Warum packst du?«, fragte er leise. »Ganz ehrlich. Warum?«
    Jetzt hatte er mich aus dem Konzept gebracht. »Was hat das denn mit europäischer Geschichte zu tun?«
    Â»Nichts.«
    Â»Dann kann dir das ja auch egal sein.«
    Â»Hast du vor, bei der Arbeit morgen zu fehlen?«
    Das war zu viel. »Ist das dein Ernst?«, prustete ich. »Das ist alles, was dich interessiert? Ob ich morgen diese wertvolle Arbeit mitschreibe oder nicht? Merkst du’s noch? Das ist doch alles so was von unwichtig. Alles. In fünf Jahren schert sich keine Sau mehr um diese bescheuerte Arbeit, und du führst dich hier auf, als ob es nichts Wichtigeres gibt auf der Welt. Aber das ist doch nicht alles, Henry!«
    Ich nahm den Textmarker und warf ihn quer über den Tisch, von wo aus er weiter auf den Boden sprang. »Du tust immer so, als ob du alles weißt und wer-weiß-wie schlau bist, aber du hast echt keinen Schimmer.«
    Â»Jedenfalls weiß ich, dass du von zu Hause abhauen willst«, provozierte er.
    Â»Ich will meinen Dad in Houston besuchen«, fauchte ich. »Das ist ja wohl was anderes.«
    Â»Und hast du vor, dortzubleiben? Also, richtig umzuziehen, meine ich.« Henry bückte sich, hob den Textmarker auf und legte ihn wieder auf den Tisch.
    Â»Wieso das denn? Das hättest du wohl gern?«
    Er sah mich aus großen, gekränkten Welpen-Augen an. »Nein«, sagte er leise. »Eigentlich nicht.«
    Â»Ja klar«, schnaubte ich. »Ist dir natürlich lieber, wenn ich hier bleibe. Als Nachhilfe-Kasper kommst du dir wahrscheinlich voll oberschlau vor.«
    Â»Nein, darum geht’s doch gar nicht!«, wehrte er sich, und ich war beinahe froh, dass er mich endlich anschrie. »Darum geht’s überhaupt nicht! Nie hörst du mir zu, nie …«
    Ich drehte mich auf meinem Stuhl zu ihm um. »Ich hab alles gehört, was du gesagt hast!«, schrie ich. »Ich weiß genau, was du über mich denkst!« Schon der Gedanke an diese Party neulich tat entsetzlich weh. Dabei war mein Alkoholexzess noch nicht mal das Schlimmste – nicht, nachdem ich gehört hatte, wie Henry » Die doch nicht« gesagt hatte und bei dem Gedanken an mich alle loswieherten.
    Wieder nahm ich den Textmarker und warf ihn durchs Zimmer. Dann sah ich Henry direkt in die Augen. »Jetzt hörst du mir mal zu«, fuhr ich ihn an. »Du bist ein Idiot, du bist ein absoluter Mistkerl, und wenn du denkst, dass ich hierbleibe, nur damit du dich weiter hinter meinem Rücken über mich lustig machen kannst, bist du noch viel gestörter als ich. Ich weiß im Moment wirklich nicht genau, wo ich sein will, Henry, aber eins steht absolut fest: nicht hier mit dir.«
    Henry sah aus, als hätte ich ihm eine geknallt, was ich irgendwie auch gern getan hätte. »Wieso«, fragte er nach einer Weile, »bist du denn so wütend auf mich, bloß weil ich möchte, dass du hierbleibst?«
    Ich kollabierte auf

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