Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
meinem Stuhl wie ein geplatzter Luftballon, und seine Worte trafen sowohl mein Hirn als auch mein Herz. Ich hatte mir gewünscht, dass er wütend wird, so wie ich, aber ich hatte es nur geschafft, dass er sich verletzt fühlte, genau wie ich.
»Ich ⦠ich muss mal an die frische Luft«, stammelte ich und rappelte mich von meinem Stuhl hoch, ehe das mit dem Verschwinden wieder anfing, riss die Terrassentür auf und stolperte hinaus in den Garten, der ganz verwildert und voller Unkraut war, weil mein Vater immer derjenige gewesen war, der sich um den ganzen Rasenmähkram gekümmert hatte.
Ich holte mehrmals ganz tief Luft und versuchte, mich im Schatten der Bäume zu halten, für den Fall, dass Henry mir zusah. Meine FüÃe kribbelten, und ich drückte sie durch die Schuhsohlen ganz fest auf den Boden und in die Erde, als ob ich Wurzeln schlagen wollte. Und plötzlich stieg eine verschwommene Erinnerung in mir auf. Ich sah mich mit April und June in unserem alten Garten, und wir sprangen zusammen auf heiÃen Ziegelsteinen herum. Meine Schwestern und ich. Glücklich.
Mir schossen die Tränen in die Augen, und so sehr ich mich auch anstrengte, konnte ich sie nicht wieder verschwinden lassen.
Ein paar Minuten später wurde die Tür aufgeschoben, und jemand kam nach drauÃen. »Hau ab«, sagte ich, ohne mich auch nur umzudrehen.
Henry trat ein Stück weiter in den Garten. »Alles in Ordnung? Soll ich April anrufen? Oder June? Mach ich gerne, wenn du willst.« Er klang nervös und verunsichert, was ja auch kein Wunder war.
Ich schüttelte den Kopf und wischte mir schnell die Augen trocken. »Nein.«
Mein rechter kleiner Finger fing an zu kribbeln. Eilig steckte ich die Hand wieder in die Tasche, während ich mir die Kapuze über die Haare zog, um möglichst viel von mir zu verstecken. Es wurde jetzt schon deutlich früher dunkel und auch kälter. »Alles okay, echt.« Da fingen auch meine Zehen an, Warnsignale auszusenden.
»Ganz sicher?« Ich hörte, wie Henry die Tür hinter sich zuschob. »Ich weià ja, dass du nicht gerade der allerfreundlichste Mensch bist, aber du â¦Â« Er stockte.
Ich holte tief Luft, drehte mich um und sah ihn an. Irgendwie wirkte er geduckt und sehr wachsam, als ob ich ein Hurrikan war, der ihn gleich mitnehmen und irgendwo in der Fremde wieder fallen lassen würde.
Ich wusste sehr wohl, wie sich das anfühlt.
»Es ist nur immer alles so verdammt verwirrend«, platzte ich heraus. »Und nichts wird leichter. Erst lassen meine Eltern sich scheiden, und wir müssen hierher ziehen, und jetzt streite ich mich ständig mit meinen Schwestern und erkenne meine eigene Familie kaum noch. Ich erkenne mich ja nicht mal mehr selbst. Und â¦Â«, fügte ich nach einem tiefen Seufzer hinzu, »dann hast du mich so total verletzt.«
»Ich? Wieso? Wann denn?«
»Bei dieser Party«, rief ich und nun musste ich doch tatsächlich losheulen. »Mariah hat dich gefragt, ob du mich willst, und du hast geantwortet: âºWie kommstân darauf, die doch nicht.â¹ Als wär ich nur irgendein ⦠irgendein Stück Dreck an deiner Schuhsohle.«
Henry guckte entsetzt. »Das hast du gehört?«
»Sieht ganz so aus.«
»Aber ich hab dich gar nicht gesehen â¦Â«
»Tut das was zur Sache? Wenn ich nicht da bin, ist es wohl okay, das zu sagen?«
Henry kam vorsichtig einen Schritt auf mich zu, und ich wich einen zurück. Ich versuchte mich von ihm fernzuhalten, damit nicht vor lauter Stress noch mein ganzer Kopf verschwand. »May«, sagte er behutsam, »denkst du wirklich, ich hätte Mariah auf die Nase gebunden, dass ich dich mag? Ich meine, mal ehrlich, Mariah?«
»Du hättest die Aussage verweigern können«, sagte ich und schniefte. »So wie das irgendwelche Konzernchefs ständig machen, wenn sie mal wieder vor Gericht stehen.«
»Ja, klar«, räumte er ein. »Hätt ich alles machen können. Aber Mariah hat mich total überrumpelt, und ihre ganzen bekloppten Freunde standen da rum, und da wollte ich eben nicht, dass sie â¦Â«
»Dass sie was?«
»Ich wollte nicht, dass sie mitkriegt, wie sehr ich dich mag.«
Da zieh mir doch einer ânen Cheese Puff über den Schädel.
»Was?« Ich bemerkte die Tränen, die mir das Gesicht herunterliefen, und versuchte sie total unelegant mit dem
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