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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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an immer vorschreiben, was sie machen durfte und was nicht? Sie spürte, wie sich die Wut in ihr zusammenballte.
    »Emma, bitte, du missverstehst mich. Es geht um deinen Ruf. Du kannst doch nicht so … in die Stadt gehen.«
    »Die Mannschaft sieht mich doch auch so, was für einen Unterschied machen die Leute in der Stadt?« Emilia zog die Augenbrauen zusammen. Sie konnte seine Gedanken nicht nachvollziehen, wollte es auch nicht mehr.
    »Mir gefällt es auch nicht, dass dich die Mannschaft so sieht.«
    »Aber Carl, du kannst mich doch nicht einsperren und vor allen verstecken.« Es war wie ein Déjà-vu, wie vor Monaten, als die Tante und der Onkel ihr den Umgang mit Carl verboten hatten. Damals hatte sie ihr Recht erstritten und auch jetzt würde sie sich keine Vorschriften machen lassen. So sehr sie Carl liebte, dies ging zu weit.
    »Natürlich werde ich dich nicht einsperren. Aber du sollst auch nicht in die Stadt gehen. Das will ich nicht«, sagte er nachdrücklich.
    »Aber ich gehe dennoch!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wage es nicht, mich aufzuhalten.« Sie drehte sich auf dem Absatz um.
    Bevor Carl noch etwas zu sagen vermochte, rief der Steuermann ihn an Deck. Sie liefen in den Hafen ein. Auch Emilia ging nach oben. Grün bewaldete Hügel säumten die breite Bucht, in der der Hafen lag. Die Häuser strahlten in bunten Farben – grün, rot und gelb waren sie gestrichen –, eine solche überwältigende Pracht war es, dass Emilia sich kaum sattsehen konnte. Und die Gerüche erst. Sie konnte das Land riechen, die Bäume und Blumen, süßlich duftete es und fruchtig.
    Es dauerte eine Weile, bis sie einen Ankerplatz hatten. Das Beiboot wurde gefiert.
    »Die erste Wache hat Landgang bis zum Wachwechsel«, sagte Carl, nachdem die Duane geregelt und der Hafenarzt wieder von Bord gegangen war.
    Emilia biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte gedacht, dass sie direkt am Kai anlegen und eine Gangway aufstellen würden. Wie sollte sie in das Beiboot kommen? Über das Schanzkleid und dann die Leiter hinunterklettern konnte sie in ihrem Zustand nicht mehr. Doch McPhail hatte schnell eine Lösung.
    »Wir bauen eine Schaukel und lassen Euch hinab«, sagte er. »Auf der Planke könnt Ihr sicher sitzen und Euch festhalten.«
    Carl kniff die Lippen zusammen. Emilia lächelte ihn an. »Deine Männer sind wirklich prächtig«, sagte sie.
    Nach wenigen Minuten hatten die Männer die Schaukel gebaut und Emilia nahm Platz. Ein wenig mulmig war ihr schon, als sie in die Höhe gezogen und über die Reling geschwenkt wurde. Doch die Männer hielten ihr Versprechen und ließen sie langsam und sachte hinab.
    Unten nahm Wölsch sie in Empfang. Brummig stieg Carl die Leiter hinunter, er schaute seine Frau nicht an.
    Im Hafen wimmelte es von Menschen. Karamell schien das alles zu viel zu sein, sie drückte sich eng an Emilia.
    »Ich muss zum Kontor«, sagte Carl knapp.
    Emilia schluckte, dann aber folgte sie ihm beherzt. Immer wieder blieb sie jedoch stehen. Vor den Häusern und auf kleinen Plätzen boten Händler ihre Ware an. Melonen stapelten sich dort, auch Orangen und Äpfel gab es. Dazu aber auch Früchte und Gemüse, die Emilia noch nie gesehen hatte. Die Menschen waren von dunklerer Hautfarbe, aber nicht so dunkel wie die Afrikaner. Sie hatten meist glatte schwarze Haare und dunkle Augen.
    »Kommst du?«, fragte Carl mehrfach ärgerlich.
    »Es gibt so viel zu sehen. Diese grünen Früchte dort, die aussehen wie pockige Birnen, was sind das?«
    »Avocado nennt man sie. Leider halten sie sich nicht sehr lange und sind deshalb als Proviant nicht geeignet. Da vorn, das Gelbe, das sind Zuckermelonen, sie schmecken unglaublich süß. Und diese Früchte nennt man Papaya.« Er wies auf einen Stand. »Wir werden nachher einkaufen, Liebes, aber jetzt muss ich zum Kontor.«
    »Liebes« hat er gesagt, dachte sie und lächelte. Er hatte ihr wohl die dickköpfige Tat verziehen.
    Das Kontor war ein großes Gebäude mit einem geschnitzten Dachfirst und in einem hellen Blau gestrichen. Sie mussten etliche Stufen emporsteigen, denn die Stadt war in die Hügel gebaut. Immer wiederwurden die Gassen zu Treppen und Emilia hatte Mühe, mit Carl Schritt zu halten. Im Gebäude war es angenehm kühl.
    »Kapitän Lessing«, sagte jemand und kam auf sie zu. Es war ein großgewachsener, blonder Mann. »Das ist ja eine Überraschung.«
    »Kapitän Schneider, welch eine Freude, Euch zu treffen. Ich hatte die ›Charlotte‹ schon im Hafen

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