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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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erkennen. Doch war es nur ein Kleid, das vielleicht von der Wäscheleine geweht worden war? Bis zu den Knien stand sie im Wasser, der Schlamm drückte sich zwischen ihren Zehen hoch. Sie ging zwei Schritte nach vorn.
    »Mutter?«
    Jetzt reichte ihr das Wasser schon bis zur Hüfte. Die Kälte schnitt in ihre Haut, es tat weh. Wenn sie noch weiter ging, würde sie schwimmen müssen. Sollte sie lieber ans Ufer zurückkehren und Hilfe holen? Immer deutlicher erkannte sie, dass dort eine Frau im Wasser trieb, die weißen langen Haare, die weit ausgebreitet um den Kopf schwammen,bewegten sich auf und nieder und auch die Frau schien sich sachte zu bewegen – wie leichte Atemzüge sah es aus. Den Kopf jedoch konnte Emilia nicht erkennen und auch nicht, ob sie auf dem Bauch oder dem Rücken lag. Wieder tat sie einen Schritt nach vorn, streckte den Arm aus. Doch bei jeder ihrer Bewegungen trieb die Frau weiter von ihr fort.
    Es ist Mutter, Emilia wusste es plötzlich ganz sicher. Sie ließ sich ins Wasser gleiten, sog den Atem zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein. Karamell stand am Ufer und bellte aufgeregt.
    Emilia schwamm drei Züge, ihr Bauch krampfte sich schmerzhaft zusammen, doch sie vermochte der Frau nicht näher zu kommen. Noch einmal stieß sie sich mit aller Kraft vorwärts und endlich konnte sie den Rocksaum erfassen. Sie drehte sich um, strampelte, um das Ufer wieder zu erreichen, doch nun senkte sich der Körper ab und schien unterzugehen. Das Gewicht zog sie nach unten.
    »Nein, nein, nein«, schrie sie. »Mutter.«
    Es half nichts, sie musste das Kleid loslassen. Erschöpft rettete sie sich ans Ufer. Das aufgeregte Gebell der Hündin hatte Aufmerksamkeit erregt. Hannes kam durch die Obstwiese gelaufen.
    »Gnädige Fruu? Is dat Euch?«
    »Hier, Hannes«, rief Emilia mit letzter Kraft. »Im Teich.« Schluchzend kauerte sie am Ufer, alles tat ihr weh und sie zitterte heftig.
    »Ward Ihr etwa swemmen?«, fragte der Knecht entsetzt, doch dann schaute er aufs Wasser und schrie auf. »Hülp! Hülp!«, rief er. »Mats, Jens, Inken. Hierher!« Er half Emilia aus dem Wasser, wollte sie zurück zum Haus bringen, doch sie schüttelte ihn ab.
    »Meine Mutter, ich glaube, sie lebt noch!«, keuchte Emilia verzweifelt.
    Hannes sah skeptisch auf das Wasser, dann aber ging er beherzt hinein. Er brauchte nur wenige Schritte, um den Saum des Kleides fassen zu können. Mit einem kräftigen Ruck zog er die Frau ans Ufer. Sie schwamm auf dem Bauch. Er drehte sie um, ihre Augen und ihr Mund waren weit aufgerissen, die Haut weiß und aufgequollen, die Lippen blau. Es war Anna.
    Emilia schrie auf. Ein weiterer Krampf schüttelte ihren Körper.
    »Die is dood«, sagte Hannes. »Un wenn ik Euch nu nich stracks ins Huus bringe, seid Ihr ooch dood«, meinte er besorgt und zog sie hoch.
    Doch Emilia konnte sich nicht auf den Beinen halten. Kurzerhand nahm er sie auf den Arm und trug sie zurück. Mats kam ihnen entgegen.
    »Um Gottes willen, was ist passiert?«, rief er.
    »Die Gnädigste …« Hannes wies zum Teich. »Die is dood.«
    Emilia zuckte wieder zusammen, als sie seine Worte hörte. »Mutter … vielleicht lebt sie noch …«, weinte sie hysterisch.
    »Nie nich«, sagte Hannes nüchtern, »die is moosendood.« Dann eilte er auf das Haus zu.
    Inken stand im Hof. »Was ist mit Emma?«
    »Gnädigste is inne See ertrunken. Fruu Emma wollte se utluken.« Hannes sah Inken fragend an. »Wohin mit se?«
    »Kannst du sie die Treppe hochtragen? In ihr Zimmer?«
    Hannes schnaufte, dann nickte er. »Se is pitschnass. Wenn die sich nich ooch noch de Dood holt.«
    Inken eilte voraus. Lily saß in ihrem Bettchen und rieb sich die Augen. »Mama?«
    »Deine Mama kommt gleich, Herzchen.« Inken schlug das Bett auf, Hannes stellte Emilia vorsichtig hin. Sie krümmte sich zusammen, presste die Hände auf den Bauch und stöhnte.
    »Mama …«, weinte Lily. »Mama!«
    »Nimm sie mit nach unten, Hannes«, befahl Inken. »Und such Rieke. Wir brauchen warmes Wasser und die Zinkwanne. Und Holz für den Ofen.«
    »Nun, nun«, versuchte sie Emilia zu beruhigen und zog ihr die nassen Sachen aus. »Was, um Gottes willen, hast du denn am Teich gemacht?«
    »Mutter«, stöhnte Emilia auf. »Ich habe sie gesucht. Und da schwamm etwas im Wasser – wie ein Kleid. Ich wollte wissen, was es war.« Wieder krümmte sie sich zusammen.
    »Das Kind kommt«, sagte Inken sachlich. »Du musst erst mal wieder warm werden. Du bist also in deinem Zustand in den Teich

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