Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Langsam manövrierte das Schiff durch den Hafen.
»Emma!«, hörte sie jemanden rufen. »Emma!« Es war Julius, der am Kai stand und winkte.
Sie hatten sich tränenreich verabschiedet, als er sie an Bord gebracht hatte. Dass er zur frühen Morgenstunde aufgestanden war, um zu sehen, wie das Schiff auslief, berührte sie sehr.
»Julius! Wir schreiben uns!«
Immer schneller entfernte sich das Schiff vom Kai. Emilia ging auf das Oberdeck, wo der Kapitän am Steuer stand, neben ihm der Lotse. Decker nickte ihr zu.
»Ein letzter Blick auf die Heimat?«
Sie nickte stumm, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Als sie aus dem Hafen heraus waren, wurden die Leinen des Schleppers gelöst. Die Segel waren gesetzt worden, kurz flatterten sie wie die nervöse Hand einer jungen Dame, dann fassten sie in den Wind. Ein Zittern ging durch das Schiff, sie waren auf Fahrt.
»Hipp, hipp, hurra!«, murmelte Emilia kaum hörbar, und doch hatte Decker es vernommen und grinste breit.
»Wir können die Tide optimal ausnutzen und werden schnell die See erreichen«, sagte er.
Emilia nickte.
»Ihr seid nicht zum ersten Mal an Bord eines Großseglers, nicht wahr?«
»Ich war mit meinem Mann auf großer Fahrt bis nach Peru und wieder zurück vor zwei Jahren«, antwortete sie.
»Um Kap Hoorn?«
»Ja. Auf der Rückfahrt hat uns ein böser Sturm erwischt und wir haben drei Segel verloren. Aber zum Glück keine Eisberge.«
»Respekt, da habt Ihr ja schon mehr Erfahrung als mancher meiner Leichtmatrosen. Und nun geht es nach Australien?«
»Carl hat dort gute Routen aufgetan. Er erhofft sich rentable Orders in den Gewässern.«
»Das habe ich auch gehört, aber meine Familie lebt hier«, sagte Decker. »So bin ich zwar immer gut ein Jahr unterwegs und nur wenige Monate zu Hause, aber sie haben hier die Verwandtschaft und alles, was sie brauchen. Wenn die Kinder größer sind, will meine Frau mich auch begleiten.«
»Deshalb gehen wir da runter. Solange die beiden noch so klein sind, will ich mitfahren, aber irgendwann werden wir uns niederlassen müssen. Und dann ist es gut, wenn er nicht monatelang unterwegs sein wird.«
»Das kann ich gut verstehen, aber kein Schlepper brächte meine Frau dazu auszuwandern.« Decker zog an seiner Pfeife und schaute nach oben, zum Flögel. »Der Wind steht gut, die Tide tut das Ihre dazu, wir machen gute Fahrt. Gleich gibt es Kaffee.«
»Ich will noch ein wenig schauen, Abschied nehmen.«
Decker nickte verständnisvoll und ließ sie allein. Emilia stützte sich mit den Armen auf die Verschanzung und schaute zum Ufer. Dort war die Elbchaussee. Die Sonne ging gerade erst auf und der Morgennebel lag über den Deichen. Sie konnte das Dach des Hauses in Othmarschen nur erahnen. Leb wohl, dachte sie und rieb sich die Tränen von den Wangen.
Langsam spielte sich das Leben auf dem Schiff ein. Emilia und Rieke achteten peinlich genau auf die Kinder, wenn sie mit ihnen an Deck gingen. Lily, die in vier Monaten drei Jahre alt werden würde, bewegte sich sicher auf dem schwankenden Schiff, Minnie, die nun anderthalb war, tat sich schwerer damit. Sie aß kaum und weinte viel, doch nach ein paar Tagen wurde sie wieder ruhiger. Gerne saß sie mit Emilia auf dem Oberdeck und schaute in die Segel und zu den Möwen, die dasBoot noch begleiteten. Lily interessierte sich lebhaft für die Mannschaft und sprach gerne mit den Seeleuten. Schon bald war sie der Liebling aller.
»Die hat Seewasser im Blut«, meinte der erste Steuermann lachend.
Der Gedanke, dass die Männer nun auch ein Auge auf das Kind hatten, beruhigte Emilia sehr.
Auch um Lady wurde viel Aufhebens gemacht, die Matrosen liebten die Hündin und verwöhnten sie nach Strich und Faden.
Bei gutem Wetter waren die Luken zum Zwischendeck immer geöffnet und die einfachen Leute durften tagsüber ein paar Stunden an Deck kommen. Sie taten Emilia leid, die sich die Zustände im Zwischendeck gar nicht vorstellen mochte.
Endlich auch lernte sie Frau te Kloot kennen, eine kleine, spitznasige Frau, die recht unscheinbar wirkte. Sie war immer noch blass und unsicher, aber nahm nun an den gemeinsamen Mahlzeiten teil.
Emilia kam bald mit ihr ins Gespräch und fand Gefallen an der ruhigen Frau. Oft saßen sie zusammen an Deck oder in der Kajüte. Emilia strickte und Antonie nähte.
Vier Tage kreuzten sie vor der Einfahrt in den Kanal zusammen mit weiteren Schiffen. Zwei Dampfsegler passierten sie und der Kapitän hisste die Flaggen, damit ihre Position rapportiert
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